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Meade Glenn

Meade Glenn

Titel: Meade Glenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unternehmen Brandenburg
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man sah die Sorgenfalten und Runzeln auf dem breiten, freundlichen Gesicht, was ihm ein ernstes Aussehen verlieh.
    »Haben Sie eine Vorstellung, wie Einwanderer in diesem Land behandelt werden, Herr Vokmann? Zur Zeit leben etwa fünf Millionen Menschen ausländischer Herkunft in Deutschland. In Frankreich und Italien gibt es zwar ähnliche Probleme, aber meine Sorge gilt Deutschland. Viele von ihnen sind seit den sechziger Jahren hier, als es einen Mangel an Arbeitskräften gab, und der deutsche Durchschnittsbürger zu wohlhabend und zu stolz geworden war, niedere Arbeiten zu verrichten. Die Ausländer kamen und haben die Drecksarbeit erledigt, zu denen sich die meisten Deutschen zu fein waren. Sie haben sich hier niedergelassen, Familien gegründet und eine Existenz in diesem Land aufgebaut. Jetzt bilden sie beinahe sieben Prozent der Bevölkerung, einen Anteil, der den der Juden vor dem letzen Krieg übersteigt. Aber im Gegensatz zu vielen Juden damals sitzen diese Menschen in der Falle der Armut. Früher einmal haben wir diese Menschen gebraucht. Jetzt haben wir die Deutschen aus dem ehemaligen Ostblock zusammen mit den Einwanderern deutscher Herkunft dazugewonnen, die sehr gern diese Arbeiten übernehmen.
    Die deutschen Arbeitsgesetze schreiben vor, daß jeder Arbeiter gleich behandelt werden muß, aber die Realität sieht ganz anders aus. Die Gehälter der Einwanderer sind niedriger als der Durchschnitt, und die Arbeitslosigkeit unter ihnen beläuft sich auf etwa fünfundzwanzig Prozent. Also leben sie in Ghettos und Ausländerheimen. Dieses Problem ist wirklich besorgnis-erregend. Aber noch schlimmer ist die Reaktion der Deutschen.
    Wenn Rassisten und Neonazis Gewalt provozieren, werden Rufe nach einer Begrenzung der Ausländerzahl laut, die in unser Land gelassen werden. Als wären die Opfer die Schuldigen, und nicht die Leute, die sie verfolgen.«
    Massow verzog das Gesicht. »Und wenn es dann Anschläge gibt, schreien die Politiker nach mehr Polizei. Aber wenn Terroristen ihr Unwesen treiben, sind sie plötzlich in der Lage, fast jeden wichtigen Geschäftsmann und Politiker zu beschützen.«
    Massow warf einen kurzen Blick aus dem Fenster.
    »Machen Sie einen kleinen Spaziergang, nachdem Sie dieses Büro verlassen haben, Herr Volkmann«, fuhr er dann fort. »Sehen Sie sich die Lebensbedingungen an. Betrachten Sie die Gesichter der Menschen, die in dieser Gegend wohnen. Aber sehen Sie wirklich hin. Sie haben Angst. Angst vor den Glatzköpfen, die sie in ihren Wohnungen angreifen, Angst vor der Zukunft. Was Sie da draußen sehen, Herr Volkmann, ist ein Pulverfaß, das nur auf den Zündfunken wartet. Weil irgendwann diese Leute ihre Stimmen erheben werden, sich organisieren und dann zurückschlagen. Und dann stecken wir wirklich bis zum Hals in Schwierigkeiten. Das ganze Land wird in Flammen stehen.«
    Massow schüttelte bedauernd den Kopf. »Manchmal frage ich mich, ob sich in diesem Land in den letzten fünfzig Jahren überhaupt etwas Grundlegendes geändert hat.«
    »Was meinen Sie damit, Herr Massow?«
    Massow nahm einen neuen Zahnstocher und schob ihn sich langsam in den Mund.
    »Vor dem letzten Krieg war der Kampfruf der Nazis: › Juden raus! ‹Heutzutage schreien sie: › Ausländer raus! ‹In Deutschland leben kaum noch Juden. Aber dafür haben wir nun Ausländer, die sich großartig als neue Sündenböcke der Nation eignen. Und es herrschen dieselben Ressentiments wie damals.
    Dieselben unterschwelligen Empfindungen. Denn auch diese Menschen sind keine Arier mit blondem Haar und blauen Augen.« Massow setzte sich hin und rutschte auf seinem Stuhl vor. »Ich will Ihnen ein Beispiel erzählen. Die ultrarechte Partei
    ›Deutsche Volksunion‹, die DVU, hat einmal einen schlichten Anti-Ausländer-Slogan für ihren Wahlkampf in Bremen benutzt.
    ›Das Boot ist voll‹, haben sie behauptet. Und für diesen Spruch haben sie sechs Sitze im Parlament eingeheimst.«
    Massow lehnte sich wieder zurück. »Verzeihen Sie mir, Herr Volkmann. Deshalb sind Sie ja nicht gekommen. Sie haben mich nach diesem Winter gefragt, und ich halte Ihnen als Antwort eine Vorlesung über das, was in Deutschland schiefläuft.«
    »Herr Massow«, fragte Volkmann, »sind Sie sicher, daß Sie den Namen Dieter Winter niemals gehört haben?«
    Massow schüttelte den Kopf. »Nie.«
    Volkmann erhob sich, und Massow reichte ihm die Hand.
    »Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihren Ermittlungen, Herr Volkmann. Auf Wiedersehen.«
    Volkmann

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