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Meade Glenn

Meade Glenn

Titel: Meade Glenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unternehmen Brandenburg
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nahm den Hörer ab.
    » Sí? «
    »Señor Tscharkin, bitte.« Die Stimme des Mannes am anderen Ende klang ein bißchen weichlich, und im Hintergrund spielte leise Musik. Hernandez glaubte, Ravels ›Bolero‹ zu erkennen.
    Er warf einen Blick auf den Leichnam des alten Mannes am Boden und dachte einen Moment nach. Es könnte ein Verwandter sein, und es war nicht seine, Hernandez’ Aufgabe, die traurige Nachricht zu übermitteln.
    »Worum geht es?« fragte Hernandez, lauter diesmal.
    »Señor Tscharkin, ich habe Ihre Stimme gar nicht erkannt!«
    Hernandez wollte das gerade richtigstellen, aber der Mann sprach gleich weiter.
    »Ich bin der Reservierungsmanager des Excelsior und wollte nur Ihre Buchung bestätigen. Die Vorstandssuite, die Sie für Freitag abend reserviert haben, ist Suite einhundertundzwanzig.
    Ich stehe Ihnen zur Verfügung und hoffe, daß Ihre Gäste alles zu Ihrer vollen Zufriedenheit vorfinden.«
    »Ja, davon bin ich überzeugt.« Hernandez sagte die Worte, ohne nachzudenken und fühlte, wie sich sein Pulsschlag beschleunigte. Er sah zur Tür des Arbeitszimmers, weil er dachte, er hätte Schritte gehört. Kam Sanchez zurück?
    »Allerdings haben wir ein winziges Problem, Señor«, fuhr der Mann fort. Er klang jetzt gestelzter, formeller. »Morgen am späten Abend kommen einige Stammgäste mit dem Flugzeug nach Asunción. Sie brauchen mehrere Suiten, und wir sind fast ausgebucht. Sie sagten, daß Sie die Suite nur von neunzehn bis einundzwanzig Uhr brauchten. Könnten Sie uns das bestätigen, damit wir unsere anderen Gäste unterbringen können?« Es gab eine kleine Pause. »Können Sie das bestätigen, Señor?«
    »Ja, bis neun.« Hernandez schluckte. Das Blut rauschte in seinen Ohren, und jetzt hörte er draußen Schritte.
    »Wunderbar!« rief der Mann. »Vielen Dank, Señor. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen noch.«
    » Buenas tardes. «
    Hernandez legte den Hörer wieder auf und blickte den Leichnam von Nikolas Tscharkin an. Nein, von einem guten Tag konnte wahrhaft nicht die Rede sein. Als er wieder aufsah, stand Sanchez in der Tür. Er hielt zwei Dosen Bier in der Hand.
    »Wer war das?« wollte er wissen und kam ins Zimmer.
    »Mein Büro«, log Hernandez.
    Sanchez musterte ihn einen Moment, reichte ihm dann das Bier und sah zu, wie Hernandez die eisgekühlte Dose öffnete.
    Der Journalist trank einen Schluck des köstlichen kalten Biers.
    Es war deutsches Bier, aber die Marke erkannte er nicht. Bitter und erfrischend schmeckte es. Er sah Sanchez an.
    »Gutes Gesöff.«
    Sanchez nickte. »Was wollte das Büro von dir?«
    »Sie wollten wissen, ob ich hier schon fertig bin.«
    Sanchez setzte die Dose an die Lippen und trank. Die Hitze war einfach schrecklich, und nicht der kleinste Lufthauch drang durch das offene Fenster des Arbeitszimmers. Dem Capitán lief der Schweiß in kleinen Rinnsalen über das Gesicht. Er wischte sich mit dem Handrücken die Stirn trocken.
    »Und? Bist du fertig?«
    »Ich denke schon.«
    »Trink dein Bier aus. Dann kümmern wir uns mal um deinen Wagen. Wenn ich ein gewissenhafter Polizist wäre, hätte ich dich schon längst festgenommen, wegen Verkehrsgefährdung.«
    Hernandez lächelte. Er trank das Bier in einem Zug leer, verstaute sein Notizbuch in der Gesäßtasche und schob den Stift hinterher.
    »Der Kuli gehört mir, Amigo « , erklärte Sanchez.
    Hernandez gab ihm grinsend den Stift zurück. »Danke.«
    Der Polizist stellte die leere Bierdose ab und deutete mit einem Nicken zur Tür. »Nichts wie raus hier. Bei Leichen wird mir immer unheimlich.«
    Hernandez warf noch einen letzten Blick auf den Leichnam des alten Mannes. Dann drehte er sich um und folgte Sanchez ins Freie.
    Rudi Hernandez fuhr über die staubigen, glühendheißen Straßen zurück in die Stadt und parkte vor dem Büro der La Trada. Der Motor des betagten Wagens schnurrte wie ein Kätzchen, und Hernandez nahm sich vor, ihn endlich zu reparieren, sobald er Zeit hatte.
    Er eilte die Treppe zur Nachrichtenredaktion hinauf, begrüßte seine Kollegen, setzte sich an seinen Schreibtisch und schaltete den Computer ein. Es dauerte eine knappe Viertelstunde, und er hatte einen kurzen Artikel über den Selbstmord des alten Mannes zusammen. Nur die nackten Fakten: Name, Adresse und die Hintergrundinformationen, die Sanchez ihm gegeben hatte.
    Er wußte alles noch auswendig und brauchte nicht in sein Notizbuch schauen, das auf dem Schreibtisch vor ihm lag.
    Es war fast vier Uhr nachmittags, als er seinen

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