Meade Glenn
Artikel abspeicherte, um ihn dem Nachrichtenredakteur zu geben. Zeit, Feierabend zu machen. Er sah sich nach Mendoza um, konnte ihn jedoch nicht entdecken. Auch gut. Der Redakteur würde sicher ein Bier trinken wollen, Hernandez hingegen hatte ganz andere Dinge im Kopf. Er nahm sein Notizbuch heraus, schlug es auf und las, was er sich aufgeschrieben hatte, nachdem er Tscharkins Haus verließ: Freitag, 19 bis 21 Uhr, Suite einhundertzwanzig, Hotel Excelsior.
Noch zwei Tage. Die Frage war nur: Was sollte dort geschehen? Warum hatte Tscharkin den Raum nur für zwei Stunden angemietet? Eine Konferenz? Es mußte sich um eine Konferenz handeln.
Wenn dem so war, dann brauchte er, Hernandez, einen Plan, um in die Suite zu gelangen, damit er hörte, was dort besprochen wurde. Er räumte seinen Schreibtisch auf, ging hinunter in die Tiefgarage und fuhr zum Hotel Excelsior an der Calle Chile.
In der Lobby herrschte reger Betrieb. Das Excelsior war ein luxuriöser Palast mit Orientteppichen und dunklem Holz, das beste Hotel in der Stadt. Er hatte dort schon einmal eine Nacht verbracht, mit der hübschen Journalistin einer amerikanischen Zeitung, deren Sympathie er geweckt hatte, indem er ihr im Auftrag seiner Zeitung bei einem Sonderbericht half.
Nachdem sie ihre Recherchen abgeschlossen hatte, nahm sie Hernandez mit auf ihr Zimmer. Sie hatten eine aufregende Nacht und einen schönen Tag miteinander verbracht und sich zwischen ihren Liebesspielen vom Zimmerservice Champagner und Essen bringen lassen. Glücklicherweise hatte sich die Zeitung der jungen Frau sehr großzügig gezeigt, was die Spesen anging.
Jetzt fuhr Hernandez mit dem Lift in den ersten Stock und fand die Suite ohne Schwierigkeiten. Er merkte sich die Zimmernummern der benachbarten Suiten und die Lage der Zimmer im ersten Stock, bevor er wieder zur Lobby hinunter und auf den Parkplatz zu seinem alten, roten Buick hinausging.
Dabei prägte er sich den Weg genau ein.
Es war noch immer heiß, und während der Fahrt zu seiner Wohnung ließ er die Scheiben heruntergekurbelt. Er rauchte eine Zigarette und versuchte, sich einen Plan zurechtzulegen.
Der Schlüssel zu allem war Tscharkin. Nur leider war der jetzt tot. Und der alte Mann war Hernandez’ einzige Spur gewesen.
Als er zwanzig Minuten später in seine Wohnung kam, hörte er das leise Summen der Klimaanlage im Fenster. Er hatte am Morgen vergessen, sie auszustellen, so daß es nun angenehm kühl war.
Von seiner Wohnung aus besaß er eine großartige Sicht über die Stadt und den Fluß südlich von Asunción. Rudi liebte diese typische Junggesellenwohnung mit einem Schlafzimmer und einer Couch im Wohnzimmer, auf der er geschlafen hatte, solange Erika zu Besuch gewesen war. Er ging in die Küche, schenkte sich einen großzügigen Scotch ein, fügte ein bißchen zerstoßenes Eis hinzu und setzte sich an das offene Fenster.
Gedankenverloren betrachtete er die Boote, die den Rio Paraguay stromauf- und abwärts glitten.
Manchmal haßte er Asunción, und manchmal liebte er diese Stadt.
Unwillkürlich schweifte sein Blick zu dem Foto seiner Eltern auf dem Bücherregal in der Ecke des Wohnzimmers. Warum war seine Mutter ausgerechnet in eine so gottverlassene Stadt wie Asunción gezogen? Trotzdem, hier war seine Heimat, und er paßte eher hierher als in die Heimat seiner Mutter. Er verabscheute die Armut, die Korruption der paraguayischen Hauptstadt; er liebte die Mädchen, die Sonne, die lockeren Mestizen.
Dann leerte er das Glas und stellte es auf den Tisch. Im Raum schwebte immer noch der Duft von Erikas Parfum.
Erneut betrachtete er das Foto auf dem Regal. Sein Vater: dunkel, gutaussehend und lachend. Seine Mutter war blond und hübsch, aber ihr nordisches Gesicht zeigte ein gespanntes Lächeln. Sie hätte ruhig ein bißchen mehr lächeln können, seine alte Dame. Aber sie hatte wohl gerade keinen Grund zum Lächeln gefunden. Das war einer der Vorteile, die er seinem Mestizenblut verdankte: den Hang zur Fröhlichkeit.
Er lächelte auch jetzt, als er an die Suite im Hotel Excelsior dachte. Unvermittelt kam ihm ein Plan in den Sinn, einfach so, und er schien ihm perfekt zu sein. Hernandez griff zum Telefon und wählte die Nummer. Seine Hände zitterten vor Aufregung und vor Angst.
Vielleicht hatte die alte Indiofrau an der Calle Estrella ja recht gehabt: Möglicherweise brachte Erika ihm tatsächlich Glück.
Das hoffte er jedenfalls.
Im anderen Fall konnte es durchaus möglich sein, daß man auch ihn
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