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Meade Glenn

Meade Glenn

Titel: Meade Glenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unternehmen Brandenburg
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irgendwo tot auffand.
    5. KAPITEL
    Richmond, Surrey, England.
    24. November.
    Auf der ruhigen Straße mit den roten, viktorianischen Ziegelhäusern spazierten keine Fußgänger. Und auch der kleine Park gegenüber war an diesem Wintertag menschenleer.
    Das schwarze Taxi hielt vor dem Haus Nummer einundzwanzig. Volkmann zahlte und stieg aus. Der Tag war kalt und bewölkt, und es sah nach Schnee aus. Joe ging über den schmalen Fußweg zur Haustür. Der Garten war verwildert, und Unkraut wucherte zwischen den kahlen Rosensträuchern.
    Als Volkmann die Tür aufschloß und eintrat, hörte er schwach die Musik aus dem hinteren Teil des Hauses und lächelte. Cole Porter sang ›Night and Day‹.
    Er ließ seine Reisetasche an der Tür stehen und schritt an dem kleinen Salon vorbei. Durch die geöffnete Tür sah er die silbergerahmten Fotografien auf dem Kaminsims und der Anrichte aus Walnußholz und den Krimskrams, den die alte Frau in über vierzig Jahren angesammelt hatte.
    In der Küche verbreitete der große Eisenherd wohlige Wärme.
    Die Tür am anderen Ende stand offen, und die Musik wurde lauter, als Joe hindurchging.
    Sie saß am Fenster des Musikzimmers, und ihr graues Haar berührte fast den Konzertflügel. Der Gehstock mit dem silbernen Griff lag auf dem hochglanzpolierten Steinway. Sie blickte auf, als er um die Ecke kam, und lächelte. Dann setzte sie die Brille ab.
    »Ich habe schon befürchtet, du würdest gar nicht mehr kommen.«
    Er lächelte liebevoll, trat neben sie und küßte sie auf die Wange.
    »Bedauerlicherweise habe ich nur zwei Tage Zeit. Samstag muß ich wieder zurück.«
    Sie legte ihm die Hand auf die Wange. »Das spielt keine Rolle. Schön, dich zu sehen, Joseph. Wie war dein Flug?«
    »Wir hatten zwei Stunden Verspätung. Warum gehen wir nicht in die Küche? Dort ist es wärmer.«
    Er reichte ihr den Gehstock und stützte sie am Arm, während sie zur Tür humpelte.
    »Ich habe zwei Karten für das Barbican heute abend ergattert.
    Glaubst du, daß du es schaffst?«
    »Heute? Das ist ja herrlich, Joseph.«
    »Peer Carinni gastiert. Er spielt die drei ›großen‹ Sonaten von Beethoven.« Er lächelte die alte Frau an. »Und wie geht es unserer Patientin?«
    »Viel besser, jetzt, wo du da bist. Komm, wir trinken einen Tee, und du erzählst mir dabei von Straßburg.«
    Das Haus veränderte sich nie. Jedesmal, wenn er hierher zurückkam, fand er es so vor, wie er es in Erinnerung hatte.
    Dieselben vertrauten Gerüche, dieselbe friedfertige Ruhe, die ihn wie ein warmer Kokon einhüllte, und immer spielte irgendwo im Hintergrund Musik. Im Augenblick drang aus dem Radio leise eine Bach-Kantate.
    Sie saßen in der Küche und tranken Tee. Mutter hatte ihm einen Teller mit Keksen neben die Tasse gestellt, aber er rührte das Gebäck nicht an. Wieder beschlich ihn das alte Schuldgefühl: Die Vorstellung, wie sie in diesem großen, alten Haus allein auf ihren Gehstock mit dem Silberknauf gestützt umherschlurfte.
    Ihr nächster Geburtstag war ihr fünfundsechzigster. Sein Blick streifte die Fotos an der Wand über dem Herd. Sie zeigten seine Eltern, aufgenommen worden waren sie vor dreißig Jahren.
    Mutter fiel darauf das dunkle Haar ins Gesicht, während sie in die Kamera lächelte. Daneben er selbst, als kleiner Junge auf ihren Knien vor dem Strandhaus in Cornwall.
    »Erzähl mir von Straßburg«, forderte sie ihn wieder auf.
    Volkmann setzte die Teetasse aus Chinaporzellan ab. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Wir haben noch so viel zu tun. Die meiste Zeit der letzten achtzehn Monate habe ich damit verbracht, die ganze Geschichte überhaupt in Gang zu setzen.
    Überall herrscht Mißtrauen. Die Franzosen trauen uns Engländern nicht, und umgekehrt ist es das gleiche.« Er lächelte sie an. »Und die Italiener trauen natürlich gar keinem. So sieht es aus mit der gegenseitigen Zusammenarbeit in Fragen der Sicherheit.«
    »Und Anna? Hast du von ihr gehört?«
    »Sie ruft mich ab und zu an. Offenbar hat sie jemanden kennengelernt. Einen Stabsoffizier vom Militärcollege.«
    »Kennst du ihn?«
    »Nein. Er hat vier Jahre nach mir den Abschluß gemacht.«
    Volkmann stand auf, legte ihr die Hand auf die Schulter und lächelte seiner Mutter in das runzlige Gesicht.
    »Komm, ich möchte, daß du für mich spielst. Wir haben noch Zeit bis zum Konzert. Ich bestelle uns ein Taxi für sieben Uhr.«
    Während sie mit dem Taxi in die Stadt fuhren, begann es zu schneien, zuerst nur leicht, doch bald wirbelte ein

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