Meade Glenn
konservativ zwar, aber verantwor-tungsbewußt. Weber hat bereits die meisten extremistischen Gruppen verbieten lassen. Und in letzter Zeit schlägt er immer häufiger Alarm wegen der extremistischen Aktivitäten. Er sagt, daß das Niveau nach wie vor nicht akzeptabel sei. Unter uns gesagt, ich habe gehört, daß er einige harte Gesetzesentwürfe vorlegen will, mit denen er diesen Spinnern ein für allemal einen Dämpfer verpassen kann.«
»Was hat er vor?«
Bargel lächelte. »Selbst wenn ich es wüßte, könnte ich es Ihnen nicht erzählen, Joe. Aber mein Mittelsmann im Innenministerium hat mir erzählt, daß Weber heftig mit der Peitsche knallen und dem Spuk ein für allemal ein Ende bereiten will.«
»Und wann?«
Bargel lächelte wieder. »Webers Leute machen Andeutungen, daß er eine Sondersitzung des Kabinetts einberufen will. Und zwar bald, aber mehr kann ich Ihnen nicht dazu sagen.«
Sie waren am Hotel angelangt, und Bargel reichte Joe den großen Umschlag mit den Akten und den Berichten.
»Vernichten Sie die Kopien, wenn Sie sie nicht mehr benötigen?«
»Selbstverständlich.«
Er schüttelte Volkmann die Hand. »Wenn Sie noch etwas brauchen, rufen Sie mich ruhig an.«
»Danke, Werner.«
Volkmann wollte gehen, doch Bargel berührte ihn am Ärmel und sah ihn aufmerksam an.
»Und vergessen Sie nicht, mich zu benachrichtigen, wenn Sie irgendwas rausfinden, das mich angehen könnte.«
Volkmann las den Bericht in seinem Zimmer im Schweizer Hof.
Es stand wenig Neues in Winters Akte, außer daß er in einem katholischen Waisenheim in der Nähe von Baden-Baden aufgewachsen war. Seine Eltern wurden nicht erwähnt. Seine Vorgeschichte machte Winter zu einem klassischen Mitläufer.
Ein Einzelgänger, der sich mit einer Sache identifizieren mußte.
Es wurde auch erwähnt, daß Winter drei Jahre zuvor an einem Marsch der Rechtsradikalen in Leipzig teilgenommen hatte, bei dem zwei Polizisten ernsthaft verletzt worden waren. Aber darüber hinaus gab es keinerlei Beweise für seine Beteiligung an solchen Gruppen.
Kessers Akte enthielt eine Zusammenfassung, die nur sehr spärlich Auskunft gab, eine Halbporträtaufnahme eines jungen, gutaussehenden Mannes mit schütterem Haar und ausgeprägten Wangenknochen. Er hatte im gleichen Jahr wie Winter an der Universität München seinen Abschluß gemacht und ein Jahr lang für eine ungenannte Forschungsanstalt der Regierung gearbeitet, bis er zu einer Handelsbank nach Nürnberg gewechselt war. Volkmann vermutete, daß die ungenannte Forschungsanstalt militärischer Natur war.
Es fand sich keine Erwähnung darüber, daß Kesser Mitglied einer rechtsgerichteten Partei wäre. Seine Adresse lautete Leopoldstraße im Münchener Stadtteil Schwabing.
Über seine derzeitige Beschäftigung war ebenfalls nichts bekannt. Volkmann vermutete, daß die Akte wegen Kessers Beteiligung an militärischer Forschung absichtlich so knapp gehalten worden war. Vermutlich war die Akte vertraulich, daher die Zusammenfassung.
Die Monatsberichte, die Werner Bargel beigelegt hatte, sprachen von einem achtzehnprozentigen Anstieg der neonazistischen Übergriffe und Zwischenfälle, und der vorläufige Bericht für den laufenden Monat schlug noch einmal drei Prozent obendrauf. Gleichzeitig jedoch merkte er an, daß wegen des Anstiegs der jahreszeitlich bedingten Arbeitslosigkeit mit solchen Zahlen zu rechnen gewesen wäre. Es wurden noch weitere Anschläge erwähnt, unter anderem ein Angriff rechtsgerichteter Gruppen auf ein Ausländerheim in Hamburg, bei dem zwei Türken schwer verletzt worden waren. In Leipzig hatten Neonazis zwei asiatische Asylanten angegriffen und niedergestochen. Zwei Vorfälle wurden gemeldet, in denen ausländische Gruppen rechtsradikale Mitläufer angegriffen hatten. In Rostock hatte eine griechische Bande einen Molotowcocktail in eine Kneipe geworfen, die häufig von Neonazis besucht wurde, und im Hamburger Rotlichtmilieu hatte eine Bande von Asiaten eine rechtsgerichtete Bande angegriffen, die auf St. Pauli randaliert hatte. Der Bericht schloß, daß weitere Vorfälle während der nächsten Monate erwartet wurden, und daß sich zwei neue Neonazi-Gruppen gebildet hatten, eine in Regensburg und die zweite in Cottbus, an der polnischen Grenze.
Als Volkmann die Akten und die Berichte gelesen hatte, steckte er sie wieder in den Umschlag und schenkte sich einen Scotch aus der Mini-Bar ein. Er öffnete das Fenster und trat auf den kalten Balkon hinaus. Was Erika im Moment
Weitere Kostenlose Bücher