Meade Glenn
silberhaarige Mann aus dem grünen Licht der Backbordlaterne und ging zum Heck.
Der Himmel war klar und sternenübersät. Er trug frische Kleidung, eine Windjacke und eine dicke Baumwollhose, unter der Jacke einen Wollpullover. Eine kurze, heiße Dusche hatte den Gestank der alten Kleidung und den Fischgeruch von seiner Haut gewaschen, der sich während der Fahrt durch den Hafen auf ihr festgesetzt hatte. Jetzt fühlte er sich gestärkt.
Er betrachtete das Wasser, das von den Schiffsschrauben aufgewühlt wurde und am Heck des Schiffes brauste, als arbeitete unter der Oberfläche ein Backofen.
Der Anruf war erledigt, die Information weitergegeben. Mit höchster Prioritätsstufe.
Knapp war es gewesen. Sehr knapp.
Fast wären ihre Pläne zuschanden gemacht worden.
Aber er hatte überlebt. Schmidts Tod war zwar bedauerlich, aber zweckdienlich gewesen.
Halder war ein alter Kamerad gewesen. Nur war nicht mehr viel Leben in ihm, der Tod nur noch einen Hauch entfernt.
Trotzdem wäre sein Rat für die kommenden Tage nützlich gewesen.
Brandt, der Mischling, hatte natürlich seinen Zweck erfüllt und die Fracht sicher überbracht. Die Fracht – einer der wesentlichen Punkte in dem Plan.
Das Schiff tanzte auf den Wellen und beruhigte sich wieder.
Dem Silberhaarigen brannte der Magen, und er hielt sich an der Reling fest.
Zwei Dinge wußte er gewiß.
Erstens: Der Plan wurde weiter durchgeführt.
Zweitens: Die Leute, die für den Vorfall in Mexico-City verantwortlich waren, würden sterben. Sie und alle anderen, die eine Bedrohung darstellten. Der Anruf gab dem Befehl Top-Priorität.
Mit dem Mädchen hatte es natürlich eine ganz andere Bewandtnis. Sie war eine von ihnen, gehörte zum Netz. Wie ihr Vater. Was sie wußte, konnte entscheidend sein. Und es wurde Zeit, sie ins Netz zu ziehen. Meyer würde sich darum kümmern.
Er sah zum Himmel hinauf.
› Die Zukunft liegt nicht in den Sternen, sondern in uns selbst. ‹
Dabei stimmte beides: In den Sternen und in uns selbst.
Er sah wieder auf das Meer hinaus, drehte sich um und kehrte ins grüne Licht der Backbord-Laterne zurück.
Der Diplomat brauchte weniger als fünf Minuten, um alles zu erklären.
Gonzales hörte schweigend zu, ohne den Mann zu unterbrechen. Ab und zu starrte er ihn in blankem Entsetzen an.
Die Ungeheuerlichkeit dessen, was der Mann sagte, ließ ihn sogar Brandts Weigerung zu sprechen verstehen.
Als der Diplomat schließlich geendet hatte, schwieg Gonzales lange. Als er schließlich glaubte, daß der andere ihm alles gesagt hatte, bedankte Gonzales sich, führte ihn zur Tür und ging sofort zu seinem Schreibtisch zurück.
Der Anruf des Polizeipräsidenten erfolgte fast augenblicklich.
Das Gespräch dauerte fast zwei Minuten. Dann drückte Gonzales die Gabel herunter und machte sofort die erforderlichen Anrufe. Alle Grenzposten, alle Flug- und Seehäfen wurden vierundzwanzig Stunden lang in Alarmbereitschaft versetzt.
Dann versuchte er, das Polizeipräsidium in Asunción zu erreichen, aber alle Leitungen waren besetzt. Er rief die Vermittlung im Erdgeschoß an, gab dem Telefonisten die Nummer und trug ihm auf, es so lange zu versuchen, bis er durchkam. Dann sah er auf die Uhr. Bald würde er nach Tacubaya hinausfahren und Juales Witwe die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbringen müssen. Ein unerfreulicher Gedanke, eine undankbare Aufgabe. Der Mann war ein guter und fähiger Polizist gewesen und außerdem ein guter Freund.
Gonzales schmerzte der Kopf. Er stand auf, zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief, während er ans Fenster ging. In seinem Arm pochte es noch immer dumpf, aber er versuchte, den Gedanken daran ebenso zu unterdrücken wie an den unbequemen, engen Verband, den der Sanitäter um seine Schulter und seinen Arm gelegt hatte.
Draußen erstreckten sich die Lichter bis zu den Hügeln Chapultepecs und der Sierra de las Cruces. Mexico war eine große Stadt. In einer Metropole mit über zwanzig Millionen Menschen gab es so viele Stellen, wo man sich verstecken, so viele Fluchtwege, über die man entkommen konnte. Es bestand nicht viel Hoffnung, die Flüchtigen zu erwischen.
Gonzales zog den Rauch tief in die Lungen. Leute wie Halder hatten gute Beziehungen, und es gab noch andere Halders. Wie nannten sie es damals? › Die Spinne ‹ . Er erinnerte sich an die Geschichten, die ihm die alten Kriminalbeamten erzählt hatten, als er noch ein Neuling gewesen war: über die Gringos, die nach dem Krieg mit Gold und
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