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Meade Glenn

Meade Glenn

Titel: Meade Glenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unternehmen Brandenburg
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Ihnen etwas ausmachen, wenn wir uns in den Garten setzten, Herr Volkmann?« Seine Stimme klang fast sanft.
    »Diese Hitze hier … ich brauche etwas frische Luft.«
    Als Volkmann nickte, stand der alte Mann unsicher auf und ging voraus.
    Sie saßen an dem hölzernen Picknicktisch einander gegenüber.
    Busch hatte noch immer das Foto von Erhard Schmeltz in der Hand und blickte kurz darauf. Seine Stimme klang zittrig, als er sprach, und er richtete seinen Blick dabei nicht auf Volkmann, sondern auf die kahlen Obstbäume am Ende des Gartens.
    »Erhard Schmeltz aus Hamburg. Ja, Herr Volkmann, den kannte ich.«
    »Was können Sie mir über ihn erzählen?«
    »Was wollen Sie denn wissen?«
    »Was für ein Mann er war, woher Sie ihn kannten … Alles, was mir vielleicht weiterhelfen könnte.«
    Busch wirkte, als wäre er tief in Erinnerungen versunken.
    »Er kannte meinen Vater. Über ihn habe ich Erhard Schmeltz kennengelernt. Er hatte im Ersten Weltkrieg gedient, war also erheblich älter als ich. Mein Vater und er haben eine Zeitlang zusammengearbeitet. Was für ein Mann Schmeltz war, fragen Sie? Rein körperlich war er groß. Zäh und zuverlässig. Aber er war ein Bauer, kein Intellektueller. Der Typ, der Befehle ausführt, nicht der, der welche gibt.«
    »Wann haben Sie ihn kennengelernt?«
    Busch überlegte kurz. »Ende 1927, kurz bevor ich in die Partei eingetreten bin. Damals gewann die Nazibewegung an Boden.
    Deutschland war mit nichts aus dem Weltkrieg herausgekommen.
    Die Leute behaupten, heute stünden die Dinge schlecht, aber damals war es noch viel schlimmer, glauben Sie mir. Wissen Sie, was das für ein Gefühl ist, wenn Sie einen Mann sehen, der mit einer Schubkarre voll Papiergeld zum Bäcker geht, um dafür dort einen Laib Brot zu kaufen, Herr Volkmann? Es ist Wahnsinn.
    Aber so war es in den zwanziger Jahren.
    Jeden Tag gab es Aufstände und Protestmärsche und bewaffnete Anarchisten, die die Straßen unsicher machten. In Deutschland herrschte Chaos. Und als die Leute sahen, daß selbst Universitätsprofessoren so tief gesunken waren, daß sie an der Straßenecke Streichhölzer verkaufen mußten, da wußten sie, daß wir verloren waren.« Busch setzte seine Brille ab und rieb sich die Augen. »Mein Vater war wie Schmeltz Soldat im Ersten Weltkrieg gewesen. Als er nach dem Waffenstillstand nach Hause zurückkehrte, gab es dort keine Arbeit für ihn, außer einer Reihe minderwertiger, schlecht bezahlter Handlanger-dienste. Wir sind von Pension zu Pension gezogen und fristeten unser Dasein mehr schlecht als recht. Und es war nie genug Brot im Haus, um eine hungrige Frau zu ernähren.
    Dann kamen die Nazis. Sie versprachen Wohlstand. Sie versprachen Arbeit. Sie versprachen Hoffnung. Sie versprachen, Deutschland wieder groß zu machen. Ertrinkende greifen nach Strohhalmen, und wir Deutschen waren dabei, zu ertrinken, glauben Sie mir das. Natürlich mußte man dafür einen Preis zahlen, aber die Rechnung wurde erst viel später präsentiert. Nach der Machtergreifung, da war es bald deutlich zu sehen für jeden, der Augen im Kopf hatte und nicht Blindekuh spielte. Ich habe mich damals von den Parteiaktivitäten distanziert, aber Austreten stand außer Frage … ich hatte schon Familie, wissen Sie.«
    Busch rieb sich wieder die Augen und starrte Volkmann an.
    »Sie werden sich fragen, was das alles mit Erhard Schmeltz zu tunhat. Nichts, außer daß ich Ihnen den Hintergrund erklären möchte, vor dem wir uns kennengelernt haben.«
    »Erzählen Sie mir von ihm«, erwiderte Volkmann ruhig.
    »Schmeltz hat in derselben Fabrik in München gearbeitet wie mein Vater. Eines Tages, im Winter 1927, wurde die Fabrik geschlossen. An dem Abend sind mein Vater und seine Kollegen weggegangen, um sich zu betrinken und ihre Sorgen zu vergessen. Danach hat mein Vater einige von ihnen mit nach Hause gebracht, damit sie seine Familie kennenlernten.«
    Busch machte eine kleine Pause. »Mein Vater und seine Freunde waren sehr betrunken und sehr verzweifelt. Einer der Männer war Erhard Schmeltz. Sie setzten sich an den Küchentisch und aßen etwas Suppe und Brot. Und sie redeten über Deutschlands hoffnungslose Lage. Ich saß bei ihnen.
    Schmeltz, das weiß ich noch, war ein sehr ruhiger Mann. Er war Vorarbeiter gewesen. Fleißig und zuverlässig. Der Verlust seiner Stellung ließ ihn völlig verzweifeln. Am Tisch brachte er das Gespräch auf die Nazis. Die meisten anderen Männer waren Kommunisten oder Sozialisten, und mein Vater

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