Meade Glenn
Volkmann, erinnert man sich nur noch sehr schwer an Gesichter. Das Mädchen könnte jede X-beliebige sein … Und meine Augen sind leider nicht mehr die besten. Kennen Sie den Namen des jungen Mädchens?«
Volkmann schüttelte den Kopf. »Nein. Auf der Rückseite des Originalfotos stand nur ein Datum. 11. Juli 1931.«
»Das ist alles?«
»Ja, das ist alles.«
Busch betrachtete das Bild noch einmal ganz genau, zuckte dann mit den Schultern und gab es Volkmann zurück.
»Vielleicht. Möglich wäre es. Es hätte unter Umständen seine Schwester sein können. Ich habe sie oft gesehen, aber sie ist es wohl doch nicht.«
»Und seine Frau oder seine Freundin?«
Busch schüttelte entschieden den Kopf und lächelte. »Nein, absolut nicht. Schmeltz war kein Frauenheld, sondern ein großer tölpelhafter Bauer, der sich in Gegenwart von Frauen immer unwohl zu fühlen schien.« Busch machte eine Pause, schien dann etwas sagen zu wollen und überlegte es sich anders.
Als Volkmann das Foto in die Brieftasche steckte, überwand er sich doch. »Sie sagen mir nicht alles, Herr Volkmann, hab’
ich recht?«
Es wurde langsam grau, und die Sonne verschwand hinter Wolken. Die Luft kühlte ab, und ein Windstoß fuhr raschelnd durch die trockenen Blätter auf dem Boden.
»Erhard Schmeltz ist im November 1931 nach Paraguay emigriert …«, sagte Volkmann. »Laut Unterlagen in Asunción hatte er seine Frau Inge und ihr gemeinsames Kind, einen Jungen namens Karl Schmeltz bei sich. Außerdem befanden sich fünftausend amerikanische Dollar in seinem Besitz. Zwei Monate später bekam er eine Banküberweisung aus Deutschland über ebenfalls fünftausend amerikanische Dollar. In exakt sechsmonatigen Abständen erhielt er später jeweils fünftausend Dollar. Zuerst wurden die Überweisungen von einem Privatkonto getätigt. Doch nach der Machtergreifung übernahm die Reichsbank diese Zahlungen, bis Schmeltz 1943 bei einem Autounfall in Asunción ums Leben kam. Danach wurden die Zahlungen an seine Frau Inge weitergezahlt, bis zum Februar 1945. Dann hörten sie auf.« Volkmann dachte kurz nach. »Ich wüßte gern, warum Schmeltz dieses Geld bekommen hat, Herr Busch. Es hat vielleicht keine Relevanz für den Fall, an dem ich arbeite, aber darüber hätte ich gern Gewißheit. Solange bleibt es ein Teil des Puzzles.«
Selbst in dem schwächer werdenden Licht sah Volkmann, daß der alte Mann blaß geworden war. Er starrte Volkmann an, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schwieg dann aber.
»Haben Sie etwas?« wollte Volkmann wissen.
Busch schüttelte langsam den Kopf. »Nein.«
»Hat Sie etwas an dem, was ich Ihnen erzählt habe, überrascht?«
Busch schwieg längere Zeit. »Bis jetzt hat mich alles überrascht, was Sie mir über Erhard Schmeltz erzählt haben«, meinte er schließlich und blickte zur Seite. Sein Gesicht war noch immer kreidebleich. »Wissen Sie denn, wer Schmeltz das Geld aus Deutschland geschickt hat?« fragte er dann.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Volkmann. »Aber jemand in einer hohen Position. Schließlich war die Reichsbank darin verwickelt.«
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Herr Volkmann?«
»Selbstverständlich.«
»Warum wurde das Geld Ihrer Meinung nach geschickt?«
Volkmann schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Aber es überrascht Sie, daß man Erhard Schmeltz so große Geldsummen geschickt hat?«
»Selbstverständlich. Er war kein wohlhabender Mann.
Jedenfalls nicht, solange ich ihn kannte. Ich kann mir jedenfalls keinen Grund vorstellen, aus dem er soviel Geld hätte bekommen sollen.«
»Halten Sie es für möglich, daß Schmeltz den Bankier für jemanden gespielt und nur dabei geholfen hat, das Geld unauffällig beiseite zu schaffen? Für ein hohes Parteimitglied?«
Busch dachte einen Moment nach und zuckte dann die Schultern. »Gut möglich. Als ich nach dem Krieg in der Organisation Gehlen gearbeitet habe, sind solche Informationen ans Licht gekommen. Deutsche im Ausland haben den Nazis geholfen, geheime Bankkonten einzurichten. Aber das ist meistens gegen Ende des Krieges passiert, als alle wußten, daß die Niederlage unabwendbar war. Vorher nicht. Und die meisten Konten wurden in der Schweiz geführt.«
»Haben Sie jemals gehört, daß Erhard Schmeltz etwas Diesbezügliches erwähnt hat?«
»Nein, Herr Volkmann.«
Volkmann betrachtete den alten Mann. Etwas schien Busch zu beschäftigen, aber er schwieg und dachte mit gerunzelter Stirn nach.
»Eine letzte Frage noch, Herr
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