Meade Glenn
herausgeputzte Mädchen: Enge Röcke, hochhackige Pumps und perfektes Make-up. Sie waren eindeutig Professionelle, die ihre Runden in den Hotels der Stadt machten. Eines der Mädchen lächelte ihn an. Er ignorierte das Lächeln, was ihm ziemlich schwerfiel, schlug die Zeitung auf und tat, als lese er. Den Eingang des Hotels ließ er nicht aus den Augen.
Zehn Minuten später sah Hernandez die Männer. Sein Blick glitt unwillkürlich zum Eingang, als er sie kommen hörte. Sie waren zu viert, alle in Anzügen, und alle sahen europäisch aus.
Hernandez wurde sofort mißtrauisch. Die vier hatten kein Gepäck dabei, und nur zwei von ihnen trugen Aktenkoffer. Sie hätten zwar auch einfach von einer geschäftlichen Besprechung in der Stadt zurückkehren können, aber sein Instinkt verriet ihm etwas anderes.
Einer der Männer ging voraus, offensichtlich ein Leibwächter: ein riesenhafter Kerl, an dem der helle Leinenanzug recht deplaziert wirkte. Er hatte breite Schultern und kurzgeschorenes blondes Haar. Sein Gang war schwankend und irgendwie unbeholfen, und er sah aus, als bestände er aus blankem Granit.
Nicht der Typ, mit dem man sich anlegen sollte, dachte Hernandez, es sei denn, man hat eine ganze Armee im Rücken.
Der zweite war Mitte Dreißig, hatte markante Gesichtszüge und dunkles, glänzendes Haar. Er trug einen Aktenkoffer und sah aus wie ein Manager. Der dritte war mittelalt, klein und übergewichtig und steckte in einem blauen, zerknitterten Anzug.
Er hatte sich die Aktentasche unter den Arm geklemmt und sah müde aus. Sein fleischiges Gesicht wirkte erschöpft, als hätte er getrunken oder eine lange Reise hinter sich.
Der Auffälligste der kleinen Gruppe jedoch war der vierte Mann, ein großer, schlanker Gentleman, der sein silbergraues Haar nach hinten gekämmt trug.
Der Dunkelhaarige trat an die Rezeption, während die anderen in der Nähe warteten. Hernandez lauschte und versuchte, die Stimmen über die leise aus den Lautsprechern rieselnde Musik zu verstehen, aber der Mann sprach viel zu leise.
»Sí, Señor …«, gab ihm der Angestellte zur Antwort, dann folgten einige gemurmelte Worte, die Rudi nicht verstehen konnte. Plötzlich wurde die Hintergrundmusik lauter und übertönte die Stimmen beinahe. Scheiße, dachte Hernandez, sprich lauter, mein Freund. Lauter!
»Es ist alles für Sie bereit, Señor …« Die Stimme ging in den Geräuschen unter. Mist! Hernandez hatte die Zimmernummer nicht verstanden. Er wollte aufstehen und näher an die Rezeption herangehen. Doch dann sah er, daß einer der Männer, der Müde in dem zerknitterten blauen Anzug, erst die Mädchen und dann Hernandez musterte. Er rutschte auf seinem Stuhl herum und sah umständlich auf die Uhr. Der Mann sollte sich sein Gesicht nicht zu genau einprägen können. Während er die Zeitung zusammenfaltete, hörte er, wie jemand deutsch redete.
Deutsch – die Sprache seiner Mutter, seiner Kindheit. Der Mann in dem stahlblauen Anzug hatte den Dunkelhaarigen etwas gefragt, und zwar im gleichen Augenblick, als sie an Hernandez vorbei zum Lift gingen.
»Welches Zimmer?«
»Zimmer einhundertzwanzig.«
Einhundertzwanzig? Hernandez lief vor Aufregung ein Schauer über den Rücken. Unmittelbar darauf schüttelte ihn eine furchtbare Angst wie mit einer Faust.
Das waren die Männer.
Er beobachtete sie, wie sie zum Aufzug gingen. Der älteste, der mit dem silbergrauen Haar, bildete den Mittelpunkt der Gruppe. Er machte eine Bemerkung, und die anderen grinsten und lachten. Hernandez konnte nicht hören, was sie sagten, weil sie schon zu weit weg waren.
Die Lifttür glitt auf, und die Männer stiegen ein. Hernandez erhob sich und beobachtete, daß die Leuchtziffern des Aufzugs im ersten Stock stoppten.
Er wartete eine Minute, bevor er zum zweiten Lift ging, und erreichte ihn in dem Moment, als die Türen aufglitten. Vor Angst schmerzte ihm der Magen. Dann trat er ein und drückte den Knopf für die erste Etage.
Nachdem sie den Aufzug verlassen hatten, ging Schmidt zur Suite voraus, steckte seine Karte in den Schlitz und betrat als erster den Raum. Sein streichholzkurzer blonder Haarschopf berührte fast den Türsturz. Er schaltete das Licht ein, sah sich kurz um und zog die Vorhänge zu. Trotz seiner immensen Körpergröße bewegte er sich erstaunlich schnell.
Krüger trat nach ihm ein, gefolgt von den anderen. Als Meyer die Tür hinter sich schloß, war Krüger bereits dabei, seinen Aktenkoffer aufzuschließen. Er nahm den
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