Meade Glenn
kümmert, das auf der anderen Seite des Globus passiert ist. Ihre Leute dagegen …
Pauli Graf hat gesagt, daß Ihr Zuständigkeitsbereich weiter reicht. Vielleicht habe ich ihn aber auch falsch verstanden.«
»Pauli Graf scheint Ihnen eine Menge erzählt zu haben.«
»Nicht wirklich. Er ist ein Freund von mir. Ich habe ihn kennengelernt, als ich noch für die FAZ arbeitete. Er hat mir soviel gesagt, daß ich eins begriffen habe: daß Sie vermutlich meine einzige Chance sind. Aber wie gesagt, vielleicht habe ich ihn ja auch falsch verstanden.«
Der dritte Satz des Violinkonzerts spielte leise im Hintergrund, während die junge Frau erwartungsvoll Volkmann ansah. Mit einemmal wirkte sie wie ein junges Mädchen, und an ihrer Miene bemerkte er die Tiefe ihrer Trauer.
»Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob die DSE dafür überhaupt zuständig ist.«
»Ich verstehe, Herr Volkmann. Vielen Dank, daß Sie mir trotzdem zugehört haben.«
Volkmann erhob sich. »Wann geht Ihr Flug nach Asunción?«
»Nächsten Sonntag. Vom Main-Flughafen.«
»Ich will den Fall mit meinen Leuten bereden. Versprechen kann ich Ihnen zwar nichts, aber wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, rufe ich Sie an, bevor Sie abfliegen.«
»Danke, Herr Volkmann.«
»Auf Wiedersehen, Frau Kranz.«
Sie sah Volkmann hinterher, als er zum Lift ging, schloß dann die Tür hinter sich und trat ans Fenster. Die Lastkähne auf dem Main hatten einen schlechten Tag erwischt. Sie kämpften gegen die graue Dünung an. Sie sah, wie Volkmann unten über die Straße zu seinem Wagen ging. Sein Regenmantel schlug ihm um die Beine.
Der Mann hatte etwas Distanziertes ausgestrahlt. Er war so anders als Rudi, der stets gelächelt hatte, und hatte doch die gleichen milden, braunen Augen. Und noch etwas war ihr an ihm aufgefallen: eine fast spürbare Abneigung ihr gegenüber.
Selbst seine Höflichkeit war beinahe abweisend gewesen, und die Anspannung hatte keine Sekunde lang sein Gesicht verlassen.
Sie blickte ihm nach, bis er außer Sicht war, schob dann den Gedanken an die unangenehme Begegnung beiseite und spülte die Kaffeetassen ab.
Es war schon nach sechzehn Uhr, als Volkmann wieder in Straßburg ankam. Ferguson und Peters waren beide unterwegs.
Volkmann schrieb seinen Bericht und gab Fergusons Sekretärin eine Kopie zusammen mit der Akte von Erika Kranz.
Die Frau erzählte ihm, daß Ferguson in Paris sei und erst später am Abend zurückerwartet werde. Volkmann schickte ein verschlüsseltes Fax an das Bundeskriminalamt in Wiesbaden, in dem er Informationen über Dieter Winter anforderte. Er gab alle ihm bekannten Einzelheiten über den Mann an und bat um ein Foto.
Danach vertiefte er sich noch einmal in die Akte von Erika Kranz. Sie war in Argentinien geboren, in Buenos Aires.
Tochter deutscher Eltern. Ihre ältere Schwester hatte einen Franzosen geheiratet und lebte in Rennes. Ihr Vater war in Südamerika gestorben, als sie drei Jahre alt war, und die Mutter war mit ihren Töchtern noch im selben Jahr nach Deutschland zurückgekehrt.
Erika Kranz hatte an der Uni Heidelberg ihr Examen in Journalistik gemacht und anscheinend damit geliebäugelt, der einen oder anderen kleinen Partei beizutreten, schien zur Zeit aber keine politischen Interessen zu verfolgen. Sie war alleinstehend und hatte weder besondere Laster noch war sie vorbestraft. Sie arbeitete als freie Journalistin zu Hause und hatte Verträge mit einigen großen bekannten deutschen Hochglanz-Frauenmagazinen.
Der Abschnitt über den Vater des Mädchens hatte Volkmanns Verhalten ihr gegenüber beeinflußt, auch wenn das Geschehene schon lange Geschichte war, und obwohl er versucht hatte, es aus seinen Gedanken zu verbannen. Manfred Kranz war im zweiten Weltkrieg Sturmbannführer bei der Waffen-SS
gewesen, in der Leibstandarte-SS ›Adolf Hitler‹. Es war im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen in zwei ehemals besetzten Ländern nach ihm gefahndet worden. Zwanzig männliche Bewohner des kleinen Dorfes Ronchamp in Südfrankreich waren während des deutschen Rückzugs exekutiert worden. Manfred Kranz war der Befehlshaber der dafür verantwortlichen deutschen Einheit gewesen. Und in Rußland hatte er während des deutschen Angriffs auf Kiew die Ermordung von zweihundert Kriegsgefangenen angeordnet. Er konnte jedoch niemals vor Gericht gestellt werden, weil die argentinischen Behörden sich geweigert hatten, ihn auszuliefern.
Volkmann verließ zwei Stunden nach seinem Eintreffen das Büro und war kurz
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