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Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Titel: Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Joseph
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jeder andere. Grund genug, ihn zum Anführer zu machen. Seine Gefolgsleute nannten sich
     Likedeeler. Das nun bedeutet »Gleichteiler« und meint: Störtebeker und Co. waren so etwas wie maritime Robin Hoods, die auf der Ostsee umherkreuzten und
     Händler mit ihren vollgepackten und entsprechend lahmen Koggen hochnahmen.
    In Wahrheit waren sie aber wohl brutale Gesellen, die nicht nur den Schlund kaum voll genug kriegen konnten,sondern auch die
     Taschen. Angeblich soll Störtebeker seinen sagenhaften Schatz auf der Insel Rügen versteckt haben – in obskuren Höhlen, deren Eingänge immer mal wieder
     gefunden werden. Vom Schatz fehlt allerdings bislang jede Spur.
    Eine Goldgrube indessen tat sich auf der Insel Rügen trotzdem auf: Seit 1993 werden in Ralswiek mit über die Jahre stetig wachsendem Zulauf die
     Störtebeker-Festspiele ausgetragen. Ein pyrotechnisches Open-Air-Action-Theater-Spektakel, das jede Saison Tausende Besucher in seinen Bann schlägt. Und
     sich sogar den einen oder anderen prominenten Darsteller leisten kann. Wolfgang Lippert zum Beispiel, den Kurzzeit-»Wetten, dass …?«-Moderator, der sich
     einmal in Mehrfachrollen im Stück betätigte. Prominente müssen allerdings damit rechnen, dass sie zumindest unter den Einheimischen vom Ruhm des
     jeweiligen Störtebeker-Darstellers überstrahlt werden. Der ist in der Region nämlich überaus beliebt.
    Die Festspiele gibt es eigentlich schon seit 1959. Damals wurden sie erstmals auf die eigens für die Aufführung geschaffene Freilichtbühne in Ralswiek
     gebracht – und zwar mit mehr als 1000 Darstellern. Da wurde denn auch schon zu Zeiten des Kalten Krieges scharf geschossen und heftig gebrandschatzt. Der
     Kopf hinter dem Großereignis war ein Mann namens Hanns Anselm Perten – Schauspieler, Regisseur und Theaterintendant in Rostock. Der Text stammte von
     einem ebenfalls in Rostock wohnhaften Schriftsteller mit dem karibischen Pseudonym Kuba. Sein wahrer Name: Kurt Barthel. Ein DDR-Staatsdichter, den die
     revoltierenden Studenten von Frankfurt am Main auf dem Gewissen haben. 1967 war das Volkstheater Rostock auf Tournee im Westen. Aber dasangekündigte Revolutionsstück aus der Feder Barthels erschien den Früh-Achtundsechzigern nicht links genug. Sie veranstalteten während der
     Aufführung einen Tumult. Kuba brach zusammen und starb.
    Hanns Anselm Perten – eine neuzeitliche Legende. Er war ein überaus streitbarer Geist, der die Menschen heftig polarisierte. Die einen lieben ihn bis
     heute als visionären Theatermann, die anderen verachten ihn als strammen Parteisoldaten und mittelmäßigen Regisseur. Die Verehrung Pertens hat vermutlich
     viel mit der Zeit zu tun, in der er wirkte. Denn vor allem in den siebziger Jahren gab sich die DDR weltoffen wie zu kaum einer anderen Zeit. Im »Bezirk
     Rostock« wurden die Tore nach Norden aufgestoßen. Man lud Heerscharen von Menschen aus dem ganzen Baltikum zu riesigen Partys in die Hansestadt ein. In
     den Museen hing Kunst aus Skandinavien. An Pertens Theater wurden Stücke von Autoren aus dem Westen aufgeführt – teilweise noch früher als in der
     Bundesrepublik.
    Als der Regisseur im November 1985 tot aufgefunden wurde, schossen die Spekulationen über den Grund seines Ablebens ins Kraut. Von Selbstmord war die
     Rede, sogar von Mord. Knapp 20 Jahre nach seinem Tod führte man die Diskussion erneut mit großer Vehemenz. Perten, beigesetzt auf einem kleinen Friedhof
     in Ahrenshoop, wurde exhumiert. Die gerichtsmedizinische Untersuchung der Überreste brachte allerdings keine neuen Ergebnisse.
    Anders als bei Störtebeker. Zwar weiß niemand, ob er wirklich auf Rügen begraben ist, aber in der jüngeren Vergangenheit gab es immer mal wieder
     Entdeckungen, die an der bisherigen Version seiner Biografie zweifeln lassen.Forscher fanden heraus, dass der vermeintliche Klaus wohl
     eher Johann hieß und auch später starb als bislang angenommen. Aber Beweise sind offenbar schwer zu erbringen, und so hängt jeder an seiner eigenen
     Legende. Die Wismarer zum Beispiel werden wohl für immer behaupten, Störtebeker sei in ihrer Stadt auf die Welt gekommen. Beweis: Im Stadtarchiv ist ein
     Störtebeker aktenkundig. Sogar sein Geburtshaus wurde ausgemacht – und mit einem Relief versehen, das den Freibeuter mit langen Haaren und Augenklappe
     darstellt.
    Ein lokaler Historiker hat sich das Papier jedoch einmal genauer vorgenommen: Es handelt sich um einen Polizeibericht, nach dem ein

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