Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner
PLATTE, INNEN HERRENHAUS
Eine an vier Orten versunkene Stadt, ein verschwundenes Schloss und ein UFO in den Dünen: Mecklenburg-Vorpommerns architektonische
Sehenswürdigkeiten sind nicht immer leicht zu finden. Dennoch ist das Land, das für seine Seen, Wälder, Alleen und Strände bekannt ist, reich an baulichen
Überraschungen.
Von einem beliebigen Ort in Mecklenburg-Vorpommern braucht man durchschnittlich nur 3,5 Kilometer zu gehen, um vor einem Schloss oder Gutshaus zu
stehen. Über 2 000 Herrenhäuser verteilen sich auf ca. 20 000 Quadratkilometer, das bedeutet eine »Gutshaus- und Schlösserdichte«, wie sie in Europa
ihresgleichen sucht. Für den Tourismus bedauerlich ist die Tatsache, dass die Prachtbauten in Nordostdeutschland national wie international bei Weitem
nicht den ihnen gebührenden Bekanntheitsgrad erreicht haben. Ein Imageproblem, das typisch ist für Land und Leute. Man mag es wohlgesinnt als
Bescheidenheit auslegen, oft ist es aber das mit Armut und Zurückhaltung gepaarte Weltfremde, das es Mecklenburg-Vorpommern schwer macht, auch
überregional positiv wahrgenommen zu werden. »Near Berlin and Hamburg«, versuche ich im Urlaub meine Heimat verzweifelt zu lokalisieren. Dasleise lächelnde Nicken meines Gegenübers lässt mich noch ein »at the Baltic Sea« hinzufügen, doch da ist bereits klar, dass ihn auch sein
kommender Deutschlandbesuch eher nach Neuschwanstein, Heidelberg oder Dresden führen wird. Dieser »globalen Wahrnehmungsschwäche« wirft die hiesige
Landesregierung seit Jahren eine Marketingkampagne namens »MV tut gut« entgegen. In Hochglanz wird von dem wundervollen Land mit dem mysteriösen Namen
»MV« geschwärmt. Ärgerlich, aber bezeichnend ist, dass nur etwa jeder 17. Deutsche mit »MV« auch Mecklenburg-Vorpommern verbindet. Allein die eigene
Landesbevölkerung und Teile des benachbarten Brandenburgs ahnen, was sich hinter diesem Kürzel wohl verbergen mag. Über den Bekanntheitsgrad »MV«’s bei
den finanzstarken Westeuropäern, Asiaten und Amerikanern möchte man in diesem Zusammenhang gar nicht erst nachdenken. Besonders gelungen: Im englischen
Sprachraum steht MV für »the Maldives«, die Malediven, also die kleine Inselgruppe im Indischen Ozean mit den schönen Stränden.
Warum nun die hohe Zahl an Adelshäusern? Durch das sogenannte Bauernlegen wurden Höfe vom Adel meist gewaltsam eingezogen, um sie als
Gutsland selbst zu bewirtschaften. Dadurch verschwanden insbesondere nach dem Dreißigjährigen Krieg die kleinen und mittleren Bauernhöfe. Spätestens mit
Einführung der Leibeigenschaft, Mitte des 17. Jahrhunderts, konzentrierte sich der Besitz bei wenigen Junkern und Rittern. Deren neuer Reichtum erlaubte
den Bau von Schlössern, verschwenderischen Parkanlagen, Burgen und Gutshäusern.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verfiel vieles und /oder wurde zweckentfremdet genutzt. Seit den 1990er-Jahrenging eine große Zahl der
Herrenhäuser wieder in privaten Besitz über und wurde teilweise liebevoll saniert. Einige hundert Häuser werden inzwischen touristisch genutzt, so dass
heutzutage grundsätzlich jedermann fürstlich und denkmalgeschützt übernachten kann.
Leider nicht mehr als Herberge zur Verfügung steht das herrliche, klassizistische Schloss in der Residenzstadt Putbus. Es ist das »Verschwundene
Schloss« Rügens. Wenig märchenhaft wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst als Lagerhalle genutzt, als Adelsbau verpönt und zu Beginn der 60er-Jahre
schließlich gesprengt. Seither fragt sich der eine oder andere Tourist in der »weißen Stadt«, die sich als kulturelle Hauptstadt der Insel sieht, wo denn
das Zentrum der Anlage sei. Fürst Malte zu Putbus hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Idee, ein von deutschen, italienischen und englischen
Vorbildern inspiriertes Seebad zu errichten. Geblieben sind unter anderem klassizistische, weiße Häuser mit Rosenstöcken im Vorgarten, die rund um den
sogenannten Circus platziert sind. Das ist ein imposanter Platz, der aussieht wie ein umgekipptes Wagenrad, mit einem Obelisken im Zentrum. Der herrliche
Landschaftspark, das prächtige Badehaus Goor mit Anbindung zur See sowie das aufwendig rekonstruierte Theater, der Reitstall, die Orangerie und das
Standbild des Fürsten erinnern an den Glanz vergangener Tage. Was fehlt, ist das Schloss.
Herrschaftliche Bilder, Sonnenschirme drehende Damen und zwirbelbärtige Herren mit Hut, die in Pferdekutschen
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