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Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Titel: Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Joseph
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steigen, hat auch vor Augen, wer die
     schillernden Stätten deutscher Bäderarchitektur besucht. Sellin, Binz und Göhren auf Rügen, die Dreikaiserbäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin auf
     Usedom, Warnemünde sowieHeiligendamm und Kühlungsborn westlich von Rostock schmücken sich mit weißen Villen, kleinen Türmchen,
     Seebrücken und Pavillons. Alles ist auf Erholung am Meer ausgerichtet und atmet die Luft der Kaiserzeit.

    Neben der sogenannten Bäderarchitektur ist Mecklenburg-Vorpommern berühmt für seine Backsteingotik. Holz hatte sich in der Region
     einfach nicht bewährt, wie der Brand Stralsunds anno 1249 zeigte: Kaufleute aus Lübeck ließen die konkurrierende Stadt abfackeln. Die Einwohner bauten sie
     mit einer Befestigungsanlage wieder auf, dieses Mal aus Stein, genauer gesagt aus Backstein. Der rote Ziegel prägt das Bild des gesamten Ostseeraumes,
     insbesondere das der ehemals reichen Hansestädte. In der Blütezeit des mächtigen, mittelalterlichen Städtebundes, zwischen dem 13. und dem
     15. Jahrhundert, wetteiferten Rostock, Stralsund, Greifswald und Wismar mit dem dominierenden Lübeck. Stolze Bauwerke entstanden, gewaltige
     Backsteinkirchen, prächtige Kontore und große Speicher. Da es in der Gegend keinen Naturstein gab, brannte man Lehm- und Tonziegel. Die wohlhabenden
     Kaufmannsfamilien errichteten Häuser mit konventionellen Giebeldächern und setzten aufwendig verzierte Schmuckfassaden davor. Diese lassen die Gebäude
     höher erscheinen, da die Flächen der Zierfassaden größer als die der eigentlichen Hauskörper sind. Als die Stralsunder ihr schönes, vierstöckiges Rathaus
     mit einem an Ornamenten reichen Giebel errichteten, höhnten die Hanseaten aus Lübeck: »Wie seine Kinder, hoch hinaus und nichts dahinter.«
    Die Kirchen, Klöster und Tore der Backsteingotik, die Giebelhäuser und Koggen der Hanse sind es, die demOstseeraum bis heute Seele
     einhauchen. Begnügen Sie sich als Besucher aber nicht allein mit den Marktplätzen, Gottes- und Rathäusern! Vieles muss man sich erst in den krummen, mit
     Kopfstein gepflasterten Gassen der Altstädte erarbeiten. Wenn Sie sich in Rostock oder in den Weltkulturerbestädten Wismar und Stralsund nicht in den
     Seitenstraßen verlieren, entgeht Ihnen der Geruch von Hafen, Fisch und Holz, den die kleinen charmanten Häuser im Schatten der großen Backsteingotik
     verströmen. Weitere Zeugnisse dieses Baustiles finden Sie beispielsweise auch in Schwerin (Dom), in Bad Doberan (Münster), in Güstrow (Marienkirche), in
     Neukloster (Propstei) oder in Neubrandenburg (Stadttore).

    Weitaus futuristischer, aber nicht weniger interessant, sind die Kreationen des Rüganers Ulrich Müther. Auf dem gesamten Gebiet der
     ehemaligen DDR findet man die sogenannten »Sonderbauten« des kühnen Ingenieurs und Architekten. Teilweise erinnern die Gebäude mit ihren schwungvollen,
     nur wenige Zentimeter dicken Dächern (Hyparschalen) aus Stahlbeton an riesige Schmetterlinge und Muscheln. Sie haben mit ihren extrem reduzierten
     Konstruktionen und enormen Spannweiten stets etwas ungemein Leichtes und Dynamisches, wie beispielsweise der »Teepott« in Warnemünde. Auch mag man an
     kleinere, sozialistische Ausgaben der Sydney-Oper bei seinen Projekten denken, nur dass sie selten vor so eindrucksvollen Kulissen wie der Harbour Bridge
     angesiedelt sind. Von Müther stammen unter anderem auch der »Musikpavillon« in Sassnitz, die Bobbahn in Oberhof, der »Ufer-Pavillon« in Potsdam und das
     Wurzelwerk des Berliner Fernsehturms. Seine Schöpfungen waren fürden Einsatz in der DDR wie geschaffen, da man zwar viel Arbeitskraft,
     aber nur wenig Material benötigte. Deshalb erwiesen sie sich auch als wahre Exportschlager. Für Devisen, die die sich sozialistisch gebende Republik
     dringend benötigte, baute Müther auch in Libyen, Jordanien, Kolumbien, Finnland und Westdeutschland. Das Planetarium in Wolfsburg brachte tausenden
     ausgewählten DDR-Bürgern Mitte der 80er-Jahre einen VW Golf. Die wirkten zwischen den Trabis, Wartburgs und Ladas ebenso ungewohnt auf den Straßen der
     Deutschen Demokratischen Republik wie die Projekte des selbst ernannten »Landbaumeisters aus Rügen«.
    Seine Betonschalenbauten waren und sind immer markante Zentren ihrer Umgebung, an denen sich die Öffentlichkeit stets gerieben hat. Erst spät erhielt
     Ulrich Müther die ihm gebührende Anerkennung. Die öffentliche Diskussion im Jahr 2000 um den Abriss des

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