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Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Titel: Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Joseph
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Besatzung der Wiederaufbau. Die
     Stadt sollte das Schiffbau- und Schifffahrtszentrum der jungen DDR werden, das sogenannte »Tor zur Welt«. Der Zuzug an Heimkehrern, Vertriebenen und
     Arbeitern aus den südlichen Bezirken ließ die Einwohnerzahl nach 1945 schnell wieder anwachsen. Zahlreiche Kräfte wurden geholt, um den für das Land
     bedeutungsvollen Überseehafen zu errichten. Rostock bot viel Arbeit, jedoch wenig Wohnraum, litt unter Versorgungsengpässen und konnte kaum kulturelle
     Abwechslung bieten. Im Juni 1953 flammten in dergesamten DDR Streiks auf. Die Bevölkerung war unzufrieden mit der wirtschaftlichen Lage
     und der politischen Führung. In der Hansestadt brachen die Unruhen vor allem unter den Hafen-, Werft- und Bauarbeitern aus. Doch die Proteste wurden mit
     aller Härte niedergeschlagen. Was blieb war die Unzufriedenheit und die schlechte Versorgungssituation. Vor spannungsgeladenem Hintergrund wussten
     Machthaber in der Geschichte das Volk schon oft mit Spielen zu besänftigen. So hielten es die Römer – und vielleicht hatten Derartiges die SED-Oberen
     auch im Sinn, als sie überlegten, ob und wie man in Rostock möglichst schnell einen erstklassigen Fußballverein installieren könnte. Im Norden gab es
     keine Mannschaft, die in der ersten Liga spielte. Die guten kickten vor allem in Sachsen. Da drängte sich den Partei-VIPs der Gedanke auf, einen Verein
     aus dem Süden an die Ostsee zu »delegieren».
    In Lauter, einer 8 000-Seelen-Ortschaft im Erzgebirge, gab es ein Team, das für solch ein Vorhaben prädestiniert war. Der SC Empor Lauter spielte als
     Spitzenreiter der DDR-Oberliga auf einem Ascheplatz im Nachbarort Schwarzenberg. So erfolgreich der kleine Verein sich schlug, so perspektivlos war er
     auch. Niemals würde er es schaffen, eine größere Anhängerschaft anzuziehen. Den Spielern und deren Frauen wurde im Herbst 1954, während einer Reise im
     Nobel-Bus, die Region um Rostock gezeigt und ein bevorstehender Umzug schmackhaft gemacht. Zur reizvollen Landschaft sollte es Wohnungen geben, das
     doppelte Gehalt und kostenlose Urlaubsplätze. 15 Lauterer sagten zu. Bei Nacht und Nebel schickte sich ein ganzer Sportverein an, Richtung Küste zu
     ziehen.
    Natürlich hatte sich das Vorhaben bald in dem kleinen Ort herumgesprochen. Wütende Anhänger besetzten denBahnhof, woraufhin ein paar
     Spieler noch in letzter Sekunde absprangen. Trotzdem erhielt Rostock binnen weniger Tage einen Erstligisten, der bei der Premiere gegen Chemie
     Karl-Marx-Stadt schon von 18 000 Menschen angefeuert wurde.
    Man spielte auf dem Gelände von Hitlers ehemaligem Exerzierplatz. Dort hatte das Nationale Aufbauwerk mit 236 000 freiwilligen und vor allem
     unentgeltlich geleisteten Stunden dafür gesorgt, dass im Norden eine der schönsten Arenen der DDR entstand, das Ostseestadion. Das Team des SC Empor
     Rostock spielte eine gute Saison und wurde trotz gnadenloser Pfeifkonzerte bei Auswärtsauftritten 1955 sogar Vizemeister.
    Der Kunstverein der 50er-Jahre entwickelte sich in den 60ern weiter zu einem Spitzenteam, jedoch nur mit der Lizenz zum Zweitplatzierten. Der nun auf
     den Namen »Hansa« hörende Club wurde mehrfach Vizemeister und Pokalfinalist, schaffte es aber nicht auf das oberste Treppchen. In dieser Zeit war Gerhard
     Gläser der Trainer der glücklosen Mannschaft, weshalb man sie als »11 Flaschen und Gläser« verhöhnte. In den 70er-Jahren folgte der Niedergang, bis man
     sich in den 80ern endgültig zu einer Fahrstuhlmannschaft zwischen erster und zweiter Liga heruntergearbeitet hatte. Nur 1991 schaffte der Verein, womit
     niemand mehr gerechnet hatte, wurde Meister und Pokalsieger auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. In den neuen Bundesländern hatte der Nordostdeutsche
     Fussballverband übergangsweise den Spielbetrieb der DDR-Liga übernommen. Damit qualifizierten sich die Hanseaten direkt für die 1. Bundesliga. Aus den
     Jahrzehnten vor diesem bislang einmaligen Triumph zieht der Pessimist sein bestes Futter. Auch der nicht unähnliche folgende Typ hatte hier eine gute
     Zeit.

    Typ 5: Der Schimpfer. Je schlechter das Spiel, desto größer seine Auftritte. Über die Köpfe der angesichts
     eines Gegentreffers frustriert zusammengesackten Zuschauer regt er sich über den Schiedsrichter, die Hanseaten, das Wetter, den Platz, den Vorstand oder
     die foulenden Gegenspieler auf. Phantastische Schimpfwörter werden salvenartig hervorgebracht und von den Übrigen im Block kommentiert.

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