Mecklenburger Winter
verwirrt von dem bunten, lauten, erotisch frivolen Treiben zu sein. Staunend blickte er sich um und ließ sich von Kai führen. Als dieser seinen Griff lockerte und seine Hände an Leons Hüften legen wollte, spannte er sich jedoch an.
„... gar nicht ...“, versuchte Leon mit zunehmender Lautstärke gegen die Musik anzureden und beugte sich dichter heran. „Ich kann gar nicht tanzen. Habe ich noch nie gemacht. Bei uns gibt es keine Disco oder so.“
„Denkst du, einer von denen?“ Kai nickte spöttisch und bewegte Leons Hüften mit den Händen. „Die tun hier alle nur so, als ob sie in einem Tanzfilm die Szenen für die Stars gedoubelt hätten. Im Grunde geht es auch nicht darum, zu tanzen.“
„Worum dann?“, fragte Leon argwöhnisch nach und kam näher, damit er Kais Worte verstand. „Genau darum.“ Kai zog ihn eng an sich, seine Hände lagen fest auf Leons unterem Rücken. Sie noch tiefer gleiten zu lassen traute er sich derzeit noch nicht. „Körperkontakt“, raunte Kai in Leons Ohr. „Sich nahe zu sein, einander zu spüren. Lass dich einfach in die Musik fallen, mach wilde Verrenkungen, was immer du möchtest. Bewege dich, wie du willst. Aber ja nicht von mir weg.“ Lächelnd nickte Leon und tatsächlich tat er, was Kai ihm geraten hatte.
Zugegeben, er tanzte recht unbeholfen. Allerdings war das auch wirklich unwichtig, denn: er tanzte. In einem Club mit über zweihundert anderen schwulen Männern und vor allem: mit Kai. Immer wieder sah Leon sich um, biss sich verlegen in die Wange, wenn er jemanden anstieß oder angerempelt wurde. Sein Gesicht blieb angespannt und zeigte vermutlich jene leichte Röte, die Kai mittlerweile vergötterte, auch wenn das Licht hier drinnen es unmöglich machte, das zu erkennen.
Nur wenn er Kai direkt ansah, wurde sein Ausdruck weicher, lächelte er und passte sich dessen Bewegungen an. Nach einigen Songs wurde er insgesamt deutlich lockerer, sah sich weniger oft um, schmiegte sich hingegen dichter und mutiger an Kai. Leons Lächeln wich nicht mehr und er schien den Abend langsam zu genießen. Es war zu laut, zum Reden, man konnte ohnehin nur tanzen und küssen und mehr wollte Kai im Grunde auch nicht.
Flüchtig erwischte er Leons Mund, als der gerade zu einem anderen Mann hinsah, der ihn angerempelt hatte und ihm prompt lüstern zuzwinkerte. Zaghaft, dem fremden Mann Blicke zuwerfend, erwiderte Leon den Kuss und augenblicklich nickte dieser ihnen zu und wandte sich ab. Kai unterdrückte ein Grinsen, denn Leon sah ihm perplex nach.
Tja Kleiner, das ist die Regel: Wer hier ist, ist so lange Freiwild, bis man vergeben ist. Da wildert kaum einer im fremden Gehege. Und dieser fesche Hase hier gehört ganz und gar mir.
„Wollen wir was trinken gehen?“, sprach er nach weiteren Songs in Leons Ohr und deutete zur Bar hinüber. Leon nickte, ergriff wie selbstverständlich Kais Hand und sie bahnten sich ihren Weg.
Sie ergatterten zwei Plätze. Kai bestellte ihnen Cola und trank seine in großen, gierigen Schlucken. Solche Sünden gönnte er sich nur selten und er vermutete, dass jede der Kalorien in diesem verflucht leckeren Getränk ihn hämisch angrinste. Da er jedoch nur Augen für Leon hatte, konnte es ihm egal sein und morgen würde er eh ein paar von ihnen wieder loswerden. Als er sich schon eine zweite bestellen wollte, nippte Leon noch an seiner ersten, den Blick nach wie vor ein wenig ungläubig staunend auf die Tanzfläche gerichtet. Kai brauchte einen Moment, bis der Barkeeper ihn bemerkte und als er sich umwandte rann ihm unwillkürlich ein kalter Schauer über den Rücken.
Da wagte es doch jemand, seinen Leon anzuquatschen. Ein älterer Typ mit Bauchansatz und einem schmierigen Lächeln war ganz nahe herangetreten und baggerte ihn offensichtlich an. Leon wirkte irritiert und wich instinktiv zurück.
„... alleine hier? Lust auf ein Abenteuer?“, bekam Kai die letzten Worte noch mit und wuchs bereits in die Höhe. Niemand machte seinen Leon an. Der Blick des Typen wanderte von Leon, der sichtlich irritiert und hilflos wirkte, zu Kai. „Ich … bin nicht … alleine hier“, brachte Leon stockend heraus und schüttelte den Kopf. „Ich bin mit meinem … Freund hier.“ Ein winziges, kaum hörbares Zögern. Ein unbedeutendes, nichtssagendes und eigentlich mehrdeutiges Wort. Nichtsdestotrotz verschaffte es Kai einen Endorphinschub der Extraklasse. Mein Freund. Leon hatte ihn wirklich und wahrhaftig so bezeichnet und hier in der schwulen Welt des
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