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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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Jede Sekunde Leon
     
    Nach dem Höhenflug ihres Hamburger Wochenendes landete Kai in der darauffolgenden Woche hart in der Realität. Nicht nur, dass er viel zu tun hatte, auch der Winter war zurückgekehrt. Zwar nicht so eisig wie zuvor, es reichte jedoch für Bodenfröste und kalte Finger.
    Nur Freunde. Was Leons Worte konkret bedeuteten, erfuhr Kai schmerzlich. Leon wurde von seinem Vater auf dem Hof stärker eingespannt und er selbst hatte ein intensives Trainingsprogramm zu absolvieren, sodass sie sich tatsächlich nur donnerstags im Studio trafen. Auch wenn Angie taktvoll genug war, ihnen dort die Möglichkeit zu geben, ungestört zu sein, war die Stunde, die sie füreinander hatten, viel zu wenig, um Kais Sehnsucht zu stillen.
    Leon freute sich zwar Kai zu sehen, und wenn er ihn küsste, sie einander umarmten konnte Kai für den Moment glauben, alles wäre bestens. Allerdings wirkte Leon stets angespannt, blass, oft etwas abwesend und die selbstverständliche Lockerheit, die ihn in Hamburg umgeben hatte, war wie fortgeblasen. An mehr, als ihn zu küssen, wagte Kai nicht mehr zu denken. Auch wenn er sich einen sexgeilen Idioten schimpfte: Es frustete ihn sehr, Leon körperlich nicht näher kommen zu dürfen. Es ging ihm gar nicht um den Sex an sich. Es hätte ihm schon gereicht, Leon intimer berühren zu dürfen. Doch wann immer er auch nur einen Ansatz in diese Richtung machte, blockte dieser sofort ab.
    Ihre Gespräche waren allgemein, drehten sich um Alltägliches. Leon berichtete, dass sein Vater zwei junge Pferde gekauft hatte, von denen eins recht talentiert war und vielleicht eines Tages in Bellas Fußstapfen treten könnte. Ihm fehlte jedoch die Leidenschaft, wenn er von dessen Fortschritten erzählte, der liebevolle Ausdruck, den er für seine Stute gehabt hatte. Er erzählte Kai von der Geburt des ersten Fohlens, Anekdoten von seinen Reitschülern und auch ein wenig von der Schule, lauschte Kais Witzen und fragte diesen umfangreicher zu dessen Training und dem bevorstehenden Wettkampf aus. Kai vermutete stark, dass Leon ihn im Gespräch gerne auf dieses Thema brachte, weil er dort einfach zuhören, nicht mehr von sich preisgeben musste. Oder wie es daheim lief.
    Es fiel Kai unsagbar schwer, zurückzukehren auf eine eher freundschaftliche Ebene und er ertappte sich dabei, dass er sich ärgerte. Nicht über Leon. Oder zumindest nicht überwiegend sondern zunehmend über dessen Vater und die Umstände, die Leon in dieses Verhalten zurückfallen ließen.
    Nachts im Bett stellte er sich öfter die Frage, ob ihre Liebe eine Zukunft hatte. Kein angenehmer Gedanke, doch er nagte hartnäckig an ihm, und nur wenn er trainierte konnte er ihn erfolgreich verdrängen.
    Training. Kai betrieb es intensiver und verbissener als je zuvor, bis ans Limit und auch ein paar Mal darüber hinaus. Vordergründig, um den Rückstand durch den langen Winter aufzuholen. Es spukte sehr wohl in seinem Hinterkopf herum, dass die harten Einheiten eine hervorragende Ablenkung waren. Aber auch diesen Gedanken konnte er, während er seinen Körper im quälerischen Intervalltraining immer weiter vorantrieb, gut verdrängen.
    Er war ein Laufjunkie. Süchtig und abhängig. Er wusste es sehr wohl und auch, dass das intensive Laufen und der Sport ihm einerseits seine vorige Beziehung kaputtgemacht hatten, andererseits auch ein hervorragendes Mittel zum Bewältigen waren. Auch seines Bedürfnisses nach mehr Intimität mit Leon.
    Sein Geist war in den Trainingseinheiten lediglich damit beschäftigt, den müden Körper weiter und weiter zu pushen. Da war kein Platz, für graugrüne Augen und ein trauriges Gesicht mit dunkelblonden Haaren. Die Sehnsucht nach körperlicher Nähe und jemanden, der für ihn da war, wenn er ausgepowert daheim ankam, kehrte erst später zurück, wenn er die müden Muskeln unter der warmen Dusche entspannte.
    Die Woche vor dem ersten Marathon des Jahres waren Kais Gedanken tatsächlich überwiegend auf den Lauf ausgerichtet. Es überraschte ihn daher sehr, als Leon am Montag vor dem Wettkampf anrief und sich erkundigte: „Du hast doch am Samstag diesen Marathonlauf, dutzende von Malen um den See, oder?“
    „Ja, es geht endlich los.“ Kai nickte, lächelte und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Der Fernseher lief im Hintergrund, er hatte mit wild klopfendem Herz den Ton ausgeschaltet, als Leons Nummer auf dem Display des Telefons erschienen war. „Willst du mir das Ganze ausreden oder Glück wünschen?“ Leon

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