Mecklenburger Winter
fragte ihn Kai zwischendurch. „Dauert bestimmt noch eine Stunde oder so.“ Leon nickte. „Kein Problem. Ich werde nicht so schnell zurück erwartet. Ist im Grunde mein freier Tag. Ich schau dir einfach zu.“
„Prima“, brachte Kai hervor, bevor er wieder zu einem Kunden eilte. Etwa eine halbe Stunde später bemerkte er aus dem Augenwinkel, wie Angie hereinkam und sich mit Leon unterhielt. Sie lächelte ihn offen an und Leon lächelte zurück. Kais Blick glitt immer wieder zu ihnen. Es fiel ihm schwer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, vor allem als er sah, wie Angie Leon ihre Hand auf die Schulter legte und sie nach vorne und damit außer Sicht gingen. Natürlich, Kai, ermahnte er sich, er ist hetero, nett, jung, sieht einfach süß aus. Das fällt schließlich nicht nur dir auf. Und zumindest der erste Punkt dürfte bei Angie mehr ankommen, als bei dir. Schöne Scheiße. Vermutlich flirtete sie gerade mit ihm und Leon wird es auch noch beeindrucken, wenn es stimmt, was er mir gesagt hatte, dass er bislang noch nicht so oft von Mädchen angesprochen worden ist.
Angie war nett, tüchtig, überpünktlich. Sie hatte nur gute Eigenschaften. Meinte sie das Flirten ernst? Für bedeutungsloses Herumspielen war Leon einfach zu unerfahren. Das war nicht fair. Wenn der Junge so wenig Erfahrung hatte, wie Kai vermutete, dann würde er natürlich beeindruckt sein, wenn sich eine Frau wie Angie für ihn interessierte und wohl kaum erkennen können, dass sie es nicht wirklich ernst meinte. Oder doch? Vielleicht übte der süße Siebzehnjährige auf Angie auch eine ähnliche Wirkung aus, wie auf ihn? Kai verzog grübelnd das Gesicht.
Aus dem Vorraum klang Angies Lachen zu ihm herein. Trotz der Stimmen der anderen Männer, dem leisen Quietschen und Knarren der Geräte ringsum, den stöhnenden, angestrengten Geräuschen der trainierenden Männer, konnte er das Lachen genau hören. Kai schalt sich selbst einen Idioten, aber er konnte nichts für seine Gefühle. Der Gedanke, dass Leon und Angie sich da draußen angeregt unterhielten, flirteten und sich offensichtlich gut amüsierten, versetzte ihm tiefe Stiche in sein verliebtes Herz.
„Alles okay, Kai?“, unterbrach sein Kunde seine Gedanken. „Mmh? Oh, ja“, antwortete er rasch. „War nur gerade ein wenig abgeschweift, sorry.“ Sein Kunde lächelte ihn von unten an. „Du kannst noch was drauf packen, denke ich“, meinte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Augenblicklich kam Kai seiner Aufforderung nach und bemühte sich redlich, seine Aufmerksamkeit ihm zu widmen.
Erst zehn Minuten später hatte Kai Zeit, sich gedanklich mit Leon zu beschäftigen. Oder vielmehr damit, was er und Angie die ganze Zeit machten. Entschlossen ging er nach vorne. Er zögerte nur einen winzigen Moment, bevor er durch die offene Tür trat. Die beiden bemerkten ihn nicht einmal sofort. Sie hatten die Köpfe über irgendetwas gebeugt, Angies Schulter drückte sich gegen Leons und sie wirkten überaus vertraut miteinander.
„Das ist so ein Zielfoto“, bemerkte Angie, als Kai hinzutrat.Sie hob den Kopf und lächelte ihn verschmitzt an. „Hey, Kai“, begrüßte sie ihn. „Wir schauen uns gerade die Fotos vom letzten Triple-Triathlon an. Leon wollte wissen, wie fertig du nach so etwas aussiehst.“
Leon schaute ebenfalls zu ihm hoch, lächelte verlegen. Eine gewisse Erleichterung überkam Kai, als er erkannte, mit was die beiden da gerade beschäftigt waren. Leon wollte also wissen, wie er nach einem Wettkampf aussah? Warum wohl? Dieser lächelte immer noch und zuckte mit den Schultern. „Ich konnte mir das nicht wirklich vorstellen. Aber du kommst gar nicht auf allen Vieren angekrochen, wie ich vermutet habe.“
Kai schenkte ihm ein verzerrtes Lächeln, trat heran und sah über Leons Schulter auf das Fotoalbum, welches Angie hervorgeholt hatte. Ach ja, der Triple. Definitiv eine der härtesten Sachen, die ich bislang gemacht habe.
Leon blätterte weiter. „Mann, da siehst du aber doch ganz schön fertig aus.“ Er grinste Kai an. Das Foto zeigte Kai direkt im Ziel. Menschen umarmten ihn. Mit einem leicht entrückten Gesichtsausdruck lächelte er in die Kamera, tiefe Schatten im Gesicht und Ringe unter den Augen. Oh ja, da sieht man mir die Strapazen sehr deutlich an. Mann, habe ich mich da fertig gefühlt. Aber es war absolut genial.
„Kein Wunder, bei so einer irren Sache.“ Fassungslos schüttelte Leon den Kopf. Kai lächelte wissend. „Zwei bis drei
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