Meconomy

Die Zeit interviewte. „Die Werkzeuge des Unternehmertums sind zunehmend umsonst. Microsoft verschenkt seine gesamte Unternehmenssoftware an Start-ups, vorausgesetzt, sie sind jünger als drei Jahre und haben weniger als eine Million Dollar Umsatz. Es war nie günstiger, ein Unternehmen zu gründen. Ich selbst habe das zweimal getan.“
    Nicht nur ist Anderson tatsächlich im Nebenjob Gründer einer Firma für Robotik und eines Dienstes, der über Lesereisen von Autoren informiert. Seine sonstige Arbeitsweise ist ebenfalls ein hervorragendes Beispiel seiner These. Auch wenn er Chefredakteur eines Magazins ist, das viele Mitarbeiter hat, repräsentative Räume und hohe Kosten für Druck und Vertrieb – alles Dinge, die zur extrem hohen Markteintrittsbarriere im Printbereich beitragen –, ist sein vermutlich lukrativeres Geschäftsmodell eines mit Kosten von nahezu null: Bücher schreiben und das Thema dann als Berater und Vortragsredner auszuschlachten setzt im Grunde keine Infrastruktur voraus: „Ich tippe diese Worte auf einem ‚Netbook‘-Computer, der 250 Dollar kostet – die am schnellsten wachsende Kategorie von Laptops. Das Betriebssystem ist eine kostenlose Version von Linux, wobei das keine große Rolle spielt, denn ich nutze keine Programme außer dem Firefox-Browser, der ebenfalls umsonst ist“, sagt er. Statt Microsoft Word benutzt er das kostenlose Google Docs, das es ihm zudem erlaubt, von überall aus auf sein Manuskript zugreifen zu können und automatische Sicherungskopien zu erstellen. „Auch alles andere auf diesem Rechner ist umsonst, von meiner E-Mail bis zu den Twitter-Nachrichten. Sogar das drahtlose Internet kostet nichts, dank des Coffeeshops, in dem ich sitze.“
    Nun kann natürlich nicht jeder Buchautor werden, und es gibt Branchen, in denen die geringen Produktionskosten digitaler Güter keine Rolle spielen. Dennoch zieht die Attraktivität des nicht-physikalischen Geschäftsmodells von Dienstleistungen, Service, Kommunikation, Kreativwirtschaft, Forschung und Entwicklung – kurz: Ideen – immer mehr Menschen an, die sich selbst verwirklichen wollen, ohne erst mal einen gigantischen Kredit aufzunehmen. Zudem sind der geringe Overhead für weltweiten Vertrieb und Marketing sowie die Möglichkeiten auch für kleinste Firmen, viele Funktionen klassischer Unternehmen komplett outzusourcen und damit Kosten und Risiko zu minimieren, auch für Handwerker oder das produzierende Gewerbe interessant.  
    Seth Godin kommentiert Chris Andersons These so: „In einer kostenlosen Welt kann jeder mitspielen. Das ist eine große Sache. Wenn Tausende von Menschen schreiben, werden das einige umsonst tun (wie Dichter), und einige werden sogar richtig gut sein (wie manche Dichter). Es gibt keinen Mangel an Poeten. Der Grund, dass wir früher bezahlte Autoren brauchten, war, dass es wirtschaftlich nur Platz für wenige Magazine oder Fernsehsender gab, für wenige Töpferläden, wenig von allem.“ Doch in einer Welt, in der jeder seine Arbeit präsentieren könne, werde das auch jeder tun.  
    Wir können heute also mit digitalen Produkten und Dienstleistungen von überall auf der Welt mit relativ geringen Startkosten unsere Leidenschaft zum Beruf machen. Das heißt nicht nur, dass sich unsere Arbeitswelt grundlegend ändert, sondern auch unser Verständnis von Wohnort, Heimat und Mobilität. Darum soll es im nächsten Kapitel gehen.

Wo will ich leben?
    „Hier bin ich gebor'n und laufe durch die Straßen!
    Kenn die Gesichter, jedes Haus und jeden Laden!
    Ich muss mal weg, kenn jede Taube hier beim Namen.
    Daumen raus ich warte auf 'ne schicke Frau
    mit schnellem Wagen.
    Die Sonne blendet alles fliegt vorbei.
    Und die Welt hinter mir wird langsam klein.
    Doch die Welt vor mir ist für mich gemacht!
    Ich weiß sie wartet und ich hol sie ab!“
    Peter Fox: ,Haus am See‘

Anleitung zur persönlichen Globalisierung
    Wo möchten Sie leben? Und wie? Nehmen Sie doch einen Globus, drehen ihn schnell und tippen mit dem Finger auf einen beliebigen Punkt. Wahrscheinlich war es noch nie in der Geschichte der Menschheit so einfach, sich den Ort auszusuchen, an dem man sein möchte.  
    Dank moderner Kommunikationstechnik und einem immer dichteren Netz an komfortablen Reiseverbindungen können wir fast überall arbeiten – häufig ohne Karriereknick oder Verlust an Einkommen, dafür mit Sonne, höherer Lebensqualität, guter Laune. Die Freiheit kann in exotischer Ferne liegen oder vor der eigenen Haustür: