Meconomy
Zuhörer mitriss und mit seiner Rede in die Medien kam. Wir seien in einer historisch einmaligen Situation, argumentierte er.
Wir könnten die heutige Vernetzung nutzen, um unsere gemeinsame globale Ethik zu entwickeln. Um daran zu arbeiten, die Herausforderungen von Armut, Sicherheit, Klimawandel und in der Wirtschaft anzugehen. „Neu ist, dass wir jetzt Kapazitäten haben, spontan über Grenzen und die ganze Welt hinweg zu kommunizieren“, so Brown – nachdem er ein Foto der im Iran bei Protesten getöteten Studentin Neda gezeigt hatte, deren Sterben per YouTube um die Welt gegangen war. „Wir können gemeinsame Positionen mit Menschen entwickeln, die wir nie treffen werden, aber die wir über das Internet und die modernen Kommunikationstechnologien treffen. Wir können jetzt kollektive Aktionen organisieren und unternehmen, um das Problem der Ungerechtigkeit anzugehen.“ Dies markiere den Beginn einer wahrhaft globalen Gesellschaft.
Der amerikanische Wissenschaftler Clay Shirky behauptet schon länger, dass Facebook, Twitter und SMS-Nachrichten Menschen, die unter repressiven Regimen leben, dabei helfen, Nachrichten über tatsächliche Vorgänge zu verbreiten und so zumindest kurzfristig Zensoren zu umgehen. Das Ende der von oben kontrollierten Nachrichten verändere die Natur von Politik, sagt Shirky, dessen Buch „Here Comes Everybody“ als Standardwerk zu diesem Thema gilt. Auch er sieht uns an einem historischen Scheideweg: „Wir erleben im Augenblick den größten Zuwachs an individueller Ausdrucksmöglichkeit in der Geschichte der Menschheit.“
Das wirft Fragen auf. Sollte in einer Gesellschaft, die sich zunehmend auf technologische Partizipation, Selbstverwirklichung in fragmentierten Gruppenidentitäten, lebenslanges Lernen und permanentes Sich-neu-Erfinden eingestellt hat, nicht auch der Staat anfangen, sich unter stärkerer Einbeziehung der Bürger neu zu erfinden? Reicht es vor diesem Hintergrund, auf die repräsentative Demokratie mit ihren alle paar Jahre stattfindenden Wahlen zu verweisen? Oder müssen nicht vielmehr direktdemokratische Elemente gestärkt, Bürgerengagement gefördert und externes Expertenwissen auch im lokalen Bereich eingeworben werden?
Das wohl prominenteste deutsche Beispiel für das zunehmende Bedürfnis der Bürger, sich elektronisch vermittelt einzubringen, war die Protestwelle in der Online-Community angesichts der als Zensurversuch empfundenen Internetsperren auf Initiative Ursula von der Leyens. Gleichzeitig tragen die neuen Kommunikationswege zu einem erstarkenden Interesse an Politik bei. Gut ein Drittel der Deutschen bediente sich im zweiten Quartal 2009 des Internets, um Nachrichten über Politik abzurufen. Bezogen auf die Gruppe der Internetnutzer sind das satte 47 Prozent. Jüngere nutzen diese Möglichkeit deutlich häufiger als Ältere. Dass man mit der neuen Technologie, die den Wandel zur Meconomy vorantreibt, auch im Sinne der Allgemeinheit ethisch handeln kann, tritt immer mehr in den Vordergrund, und diese Erkenntnis erschüttert bestehende Strukturen nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft.
Es werden verstärkt junge Arbeitnehmerinnen sein, die diese Entwicklung vorantreiben. „Überdurchschnittlich viele Frauen zieht es in Jobs, die etwas mit Nachhaltigkeit zu tun haben, die also Lösungen für Fragen einer alternden Gesellschaft bereitstellen, die mit grüner Energie, Bildung und Gesundheit zu tun haben“, schreibt die Zeit Ende 2009 in einer Titelgeschichte über „Die Weiberwirtschaft“. Die Shell-Jugendstudie hat kürzlich einen Typus namens „Engagementelite“ beschrieben: Leistungsorientierte junge Menschen, die zugleich über einen ausgeprägten Werterahmen, über Toleranz und Umweltbewusstsein verfügen – darunter besonders viele Mädchen. „Die Krise beschleunigt den Wandel zugunsten der Frauen“, so die Zeit .
Wie tief der Wandel im Denken ist, zeigt sich an der beeindruckenden Zahl neuer Manifeste und Generationendefinitionen, die derzeit Konjunktur haben. Eines der meistdiskutierten stammt von Umair Haque, Leiter des Havas Media Lab, Gründer der Unternehmensberatung Bubblegeneration und Leitartikler der Harvard Business Review . Haque rief Mitte 2009 die „Generation M“ aus und verfasste kurzerhand einen offenen Brief an alle Führungspersönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, der mit den Worten begann: „Sehr geehrte alte Leute, die die Welt leiten – meine Generation würde gern die
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