Meconomy
sein solle. Hensel: „Keine Institutionen. Nur wir und unsere persönliche Kreativität.“ Wir seien unsicher, wie wir uns in dieser individualistischen Welt verhalten sollen, „einer Welt, in der keine allgemeinen Wahrheiten mehr zu gelten scheinen. Und darum bewegen wir uns gar nicht.“
Grundsätzlich fürchtet auch Tim Leberecht, ähnlich wie Werner Eichhorst, dass es Deutschland an Risikobereitschaft mangelt („Nicht zufällig heißt Venturecapital hier ja Risikokapital.“) sowie an Optimismus und Innovationstempo. Keinesfalls gehe es darum, amerikanische Verhältnisse zu fordern, „aber ein Schuss mehr Mut unter Wahrung des eigentümlichen deutschen Skeptizismus würde Wunder wirken“.
Auch die Forscher der renommierten amerikanischen Wharton Universität in Pennsylvania haben sich mit den Grenzen des deutschen Erfindergeistes beschäftigt und kommen zum selben Schluss: Die hierarchische Natur deutscher Unternehmen stelle oft eine Hürde für Innovation dar, zumindest in jenen Branchen, die sich schnell verändern. „Dass die Organisationen sehr strukturiert sind, kann sein Gutes haben“, sagt Susanne Shields, die sich an der amerikanischen Uni mit deutscher Kultur beschäftigt. „Gleichzeitig sind Deutsche nicht sehr flexibel, sodass es sehr lange dauert, bis neue Ideen sich durchsetzen. Sie können nicht einfach ins Büro des Vorgesetzten gehen und sagen: ‚Ich habe dieses beobachtet und würde darum jenes vorschlagen ...‘“
Shields kritisiert, dass die deutsche Bildung Wissen über Kreativität stellt: „Das behindert unternehmerisches Denken im späteren Leben“, zitiert die Studie Dietmar Grichnik, Professor für Unternehmertum und Existenzgründung an der Otto Beisheim School of Management. Die bürokratischen Hürden, ein Unternehmen zu gründen, seien in Deutschland nicht zu hoch – es sei vielmehr die Angst zu versagen, die viele vom Schritt in die Selbstständigkeit abhalte: Laut einer Umfrage würden mehr als 50 Prozent aller Deutschen aus diesem Grund davor zurückschrecken.
Doch langsam ändert sich das: Manche Universitäten bieten Seminare in Unternehmertum an, und es gibt mehr staatliche Unterstützung für Existenzgründer. Dies könnte mit der Zeit das deutsche Henne-Ei-Problem lösen, das Jürgen Habichler, Chef des Venturecapital-Fonds Mountain Cleantech, beschreibt: „Es gibt nicht genügend inspirierende Erfolgsgeschichten, aber ohne diese Vorbilder wird niemand sich trauen.“
Die Meconomy bietet nun dem Einzelnen Chancen der ökonomischen Selbstverwirklichung und dem Staat die Gelegenheit, seine Aufgaben und Institutionen auf den Prüfstand zu stellen, Strukturen zu modernisieren und seine Bürger auf die erheblichen Veränderungen vorzubereiten. Die Wirtschaftskrise hat ihren Teil dazu beigetragen, dass diese Prozesse als dringlicher empfunden und hoffentlich schneller vonstattengehen werden. Sie darf insofern als Scheideweg gelten zwischen klassischer Festanstellung und Selfbranding. Zwischen Ausbildung und lebenslangem Lernen. Zwischen egoistischem Renditestreben und sozialem Engagement. Zwischen gerade noch planbaren Lebensläufen und fundamental fragmentierten. Zwischen einem paternalistischen Staat sowie einem, der seine Leistungsgrenzen anerkennt und verlässlich Grundversorgung und Chancengleichheit sichert. Wir sind in Zukunft stärker auf uns allein gestellt, aber wir haben die Werkzeuge und die selbst organisierten Gemeinschaften, um diese Herausforderung zu meistern.
Zurück aus der Zukunft: Lifehacking im Alltag
Was nehme ich persönlich aus diesem Buch mit? Sehr viel, denn das Schreiben war zugleich ein Selbstversuch. Meine Ausgangsthese lautete ja: Es ist für uns alle heute so leicht wie noch nie, uns neu zu erfinden. Unser Leben als Baukasten zu betrachten, aus dem wir uns die passenden Teile heraussuchen und eine Identität basteln können. Wir können das nicht nur tun, wir müssen es sogar. Zugleich hatte ich das starke Gefühl, diese Recherche müsse mit mir selbst anfangen. Ich habe darum auf zwei Ebenen gearbeitet: Auf der theoretischen sprach ich mit Experten, wertete Studien aus und las mich durch den aktuellen Stand der Fachliteratur. Ein Berg Bücher lag stets auf dem Schreibtisch und neben meinem Bett, mit Titeln wie „Upgrade your Life“, „The Power of Less“, „Geografie des Glücks“ oder „Ich – wie wir uns selbst erfinden“. Ich habe Interviews mit Soziologen und Psychologen, Managern und Unternehmensberatern,
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