Meconomy
Philosophen und Politikwissenschaftlern geführt. Ich las ein Jahr lang jeden Tag die neuen Einträge in Blogs, die „Lifehacker“ heißen oder „You 2.0“, „Outsource your Life“ oder „Zen Habits“, „The Art of Nonconformity“ oder „Digital Nomads“.
Auf der praktischen Ebene wollte ich so viel wie möglich von dem, was ich da an Theorien kennenlernte, an mir selbst testen. Wollte wissen, wie viel von meinem Alltag, meinen Fähigkeiten und den scheinbaren Sachzwängen nur Gewohnheit, Faulheit und Routine ist, vielleicht auch Angst vor dem Unbekannten. Und wie viele Bereiche meines Lebens ich tatsächlich selbst umbauen kann.
Ich hatte mir Ziele gesetzt: Ich möchte selbstbestimmt mein Geld verdienen, wann ich will und wo, ohne dass ein Chef mir sagt, wie lange ich an welchem Schreibtisch zu sitzen habe. Ich möchte gern viel reisen und unterwegs arbeiten. Ich möchte meine persönliche Produktivität verbessern, mich nicht mehr von der digitalen Informationsflut ablenken lassen, keine Termine mehr vergessen, Projekte sinnvoll strukturieren und wenn ich arbeite, das dann bitte auch möglichst effizient tun. Ich möchte neue Fähigkeiten erlernen, bei denen mich eigentlich immer gewurmt hat, dass ich sie nicht beherrsche: Entspannt Vorträge halten zum Beispiel oder auf Englisch Artikel schreiben.
Ich habe mir für dieses Buch ein Arbeitspensum auferlegt. Morgens zwei, drei Stunden schreiben, danach Fachliteratur lesen und Interviews führen, dann täglichen Sport – laufen oder Krafttraining –, danach noch mal ein paar Seiten schreiben. Zwischendurch immer wieder rausgehen, vor Ort selbst Dinge anschauen, Experten treffen. Nebenher üben, Magazinbeiträge auf Englisch zu verfassen, und möglichst viele Vorträge halten.
Ich habe mich von der Wirtschaftskrise nicht nervös machen und in einen sicheren, aber öden Bürotrott zurücktreiben lassen, sondern arbeite weiterhin fast nur noch, wann und wo ich möchte: zu Hause oder unterwegs. Ich bin im letzten Jahr tatsächlich wieder viel gereist, war in Lissabon und Andalusien, auf der Karibikinsel Grenada und der Nordseeinsel Juist, und immer war das eine angenehme Mischung aus viel Urlaub und ein bisschen Job.
Ich schreibe regelmäßig und inzwischen einigermaßen routiniert Artikel für die britische Zeitschrift Monocle – auf Englisch. Die vielen Vorträge haben mich um einiges lockerer gemacht. Vor Publikum zu sprechen verursacht mir nun keine Magenschmerzen und Schweißausbrüche mehr – immer öfter freue ich mich sogar auf die anschließenden Diskussionen und die Menschen, die ich dabei kennenlernen werde.
Ich versuche, Selfbranding mit persönlicher Produktivität in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen, das heißt: Ich blogge und twittere inzwischen regelmäßig, aber nicht mehr jede Kleinigkeit, und ich schaue nur ganz selten auf Facebook vorbei, weil das doch ein riesiger Zeitkiller ist. Ich versuche, nur drei- oder viermal am Tag gesammelt meine E-Mails zu bearbeiten, anstatt mich zwischendurch immer wieder von einzelnen ablenken zu lassen. Ich habe inzwischen ein wasserdichtes elektronisches und physisches Ablagesystem – inspiriert von David Allen –, mit dem ich narrensicher verhindere, dass ich Aufgaben oder Termine vergesse, was mich viel ruhiger schlafen lässt. Ich bemühe mich, insgesamt die Zeit, die ich mit Computer und iPhone verbringe, zu begrenzen, ohne deswegen zum Techno-Skeptiker zu werden. Und ich achte darauf, mir große ungestörte Zeiteinheiten freizuschaufeln, in denen ich konzentriert Dinge „mache“, wie Merlin Mann das verlangt – zum Beispiel dieses Buch schreiben.
Bin ich jetzt ein besserer Mensch? Keine Ahnung. Aber ich habe endlich mal ein paar Dinge geregelt bekommen, die mich immer gewurmt haben, aber für die ich im fremdbestimmten täglichen Stress des Bürojobs keine Zeit hatte. Heute, und das ist ein enormer Fortschritt, entscheide ich nicht nur sehr viel öfter, was und für wen ich überhaupt arbeiten will. Nervt ein Auftraggeber zu sehr, lasse ich ihn eben fallen. Ein Luxus, ich weiß, aber auch ein notwendiger Selbstschutz. Es ist schließlich meine Lebenszeit, und die will ich nicht hauptsächlich den anstrengenden Überempfindlichkeiten psychopathischer Vorgesetzter oder Auftraggeber opfern.
Vor allem erledige ich meine Arbeit in deutlich kürzerer Zeit. Erst dadurch kann ich mich um neue Fähigkeiten kümmern, die ich erlernen möchte und die mir wiederum im Job zugutekommen.
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