Medaillon des Schicksals (German Edition)
ich«, hatte er mit dröhnender Stimme dem gesamten Hof verkündet. »An nichtsnutzigen Weibern habe ich reichlich. Wenn die Contessa mir keinen Erben schenken kann, nun, dann muss sie gehen und einer anderen Platz machen. Sie taugt ohnehin nichts mehr, ist alt vor der Zeit und mir nur noch eine Plage. Die Mädchen soll sie mitnehmen. Kosten nur Geld, die Weiber, Geld für den Putz, und obendrein muss eine Aussteuer bezahlt werden. Soll sie ins Kloster gehen, die Contessa, und die Schreihälse mitnehmen. Zum Beten werden sie schon taugen, wenn sie auch sonst zu nichts zu gebrauchen sind.«
Die Bediensteten hatten bei diesen harten Worten betreten vor sich hin gestarrt oder aber der Contessa, die ihre ganze Kraft aufgeboten hatte, um nicht in Tränen auszubrechen, mitleidige Blicke zugeworfen. Doch helfen konnten sie ihr nicht, so gern sie es auch gewollt hätten. Die Grausamkeit und Härte des Conte di Algari waren ein Thema, über das in der ganzen Toskana gesprochen wurde, und jeder, der die Contessa kannte, war angetan von ihrer Güte und Großzügigkeit – und bemitleidete die junge Frau auf das Tiefste. Jeder hier wusste, dass der Conte ein Spieler war, ein Saufbruder, der stets Händel suchte und Frau, Kinder und Bedienstete bis aufs Blut quälte.
»Ich wünschte, ich würde sterben«, flüsterte die Contessa erneut und sah die Hebamme mit einem flehenden Blick an.
»Was wird dann aus deinen beiden Töchtern?«, fragte Rosalba leise, doch die Contessa antwortete nicht. Eine neue Welle des Schmerzes durchfuhr sie. Ein Schrei entriss sich ihrer Kehle, dann krümmte sie sich, während die Hebamme zwischen ihren Schenkeln das Köpfchen eines Säuglings erblickte.
»Pressen, pressen, Donatella, gleich hast du es geschafft.«
Noch einmal schrie die Frau, noch einmal überrollte der Schmerz sie wie eine große dunkle Welle, da umfasste die Hebamme mit beiden Händen das Köpfchen und holte mit geschickten Griffen das Kind auf die Welt.
Sie nahm es hoch, warf einen kurzen Blick auf das Geschlecht des Säuglings, seufzte, wickelte es sogleich in ein Tuch und gab ihm einen Klaps auf den Po. Der Säugling schrie und verkündete mit aller Kraft der Welt seine Ankunft.
»Was ist es?«, fragte die Contessa Donatella mit angstvoller Stimme.
»Es ist alles in Ordnung, das Kind ist gesund und kräftig, wie du hörst. Du musst nun schlafen und dich ausruhen«, erwiderte die Hebamme und reichte der völlig erschöpften Frau einen starken, würzigen Trunk. Dann nahm sie den Säugling auf den Arm und sah zu, wie die Contessa allmählich langsam und gleichmäßig atmete und schließlich die Augen schloss. Rosalba wickelte den Säugling in ein zweites, warmes Tuch, nahm aus der Schatulle, die auf dem gemauerten Kamin stand, ein goldenes, fein gearbeitetes Medaillon mit dem Wappen der Familie di Toscani, aus der die Contessa Donatella stammte, legte es dem Neugeborenen behutsam um den Hals und verließ mit ihm heimlich, still und leise die Kammer. Im Schutz der Dunkelheit eilte sie über den Burghof und verschwand schließlich hinter dem Burggarten in dem kleinen Wäldchen, das zwischen der Burg und dem Dorf lag.
Obwohl der Trunk der Hebamme stark war, schlief die Contessa nicht sofort ein. Sie hielt die Augen geschlossen und versuchte, die heißen Tränen, die sich hinter ihren Lidern drängten, zurückzuhalten. Doch es gelang ihr nicht.
Sie dachte an ihr Leben auf der Burg. All die Jahre, die sie nun schon hier lebte, zogen wie eine Reihe Bilder vor ihrem inneren Auge vorbei. Donatella erinnerte sich an den jungen, starken Mann, der um sie gefreit hatte. Charmant war er gewesen, doch der Charme hatte seine mangelnden Manieren, die Rohheit und auch das Machtgebaren nicht gänzlich überdecken können. Donatella hatte sich vom ersten Tag an gefürchtet vor diesem Mann. Doch Widerspruch hatte sie nicht gewagt. Die Eltern suchten die Ehemänner der Töchter aus. Geld wurde mit Geld, Land mit Land, Besitz mit Besitz verheiratet. Persönliche Sympathien spielten hierbei keine Rolle, und Liebe war etwas für Träumer. Und das Land des Conte di Algari grenzte nun mal an den Besitz der di Toscanis. Eine Verbindung mit den Nachbarn war erstrebenswert, und so wurde dem Conte die jüngste und hübscheste Tochter zur Ehe versprochen. Versehen mit einer reichlichen Mitgift, wurde vor dem Traualtar aus Donatella di Toscani die Contessa Donatella di Algari.
Das war jetzt acht Jahre her. Und seit diesem Tag, so schien es der Contessa,
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