Medaillon des Schicksals (German Edition)
schrubbte sie ihren ganzen Körper, bis die Haut fast zu bluten begann; sie wollte die Demütigung und Gewalt wegschrubben, doch es gelang ihr nicht.
Auch nach dem Bad fühlte sie sich beschmutzt und wusste, dass dieses Gefühl sie lange nicht verlassen würde.
Schon wenige Wochen später ahnte sie, dass sie in dieser Nacht schwanger geworden war. Ihre Brüste spannten, die morgendliche Übelkeit verargte ihr jedes Frühstück, ihre Regel war ausgeblieben.
»Ich möchte kein Kind, das im Weinen gemacht wurde«, klagte sie, doch das Kind gedieh und fühlte sich wohl in ihrem Leib.
Fast war sie froh gewesen, als der Conte nach Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft verkündet hatte, er werde sie verstoßen, falls sie noch einmal, zum dritten Mal, eine Tochter zur Welt brächte – hätte sie nicht an das arme Wesen, das in ihr heranwuchs, denken müssen. Das arme, unschuldige Wesen, das noch nicht einmal geboren, doch schon jetzt einen Weg voller Tränen vor sich hatte.
Für sie selbst gab es keine Hoffnung, keine frohe Stunde mehr auf dieser Burg, das wusste sie. Darum machte ihr der Gedanke, von ihrem Mann verstoßen zu werden, auch nichts aus. Das Gerede der Leute kümmerte sie nicht, und auch das karge Leben in einem Kloster erschien ihr geradezu erstrebenswert. Doch um keinen Preis der Welt wollte sie ihre beiden kleinen Töchter in der Burg zurücklassen, die gerade mal vier und zwei Jahre alt waren. Zwar hatte der Conte verkündet, die Töchter ebenfalls ins Kloster stecken zu wollen, doch das toskanische Gesetz verbot ein solches Vorgehen. Wenn ein Mann seine Gattin verstieß, dann nur sie allein. Und obwohl der Conte die Algari den Gesetzen im Allgemeinen keine allzu große Bedeutung beimaß, würde er es doch nicht wagen, sich deswegen mit den mächtigen Medici in Florenz anzulegen, die dieses Gesetz entworfen hatten und von der Signoria, der Gesetz gebenden Instanz, hatten bestätigen lassen.
Für sich selbst erwartete Donatella di Algari nichts mehr, ja, sogar der Gedanke an den Tod hatte etwas Tröstliches für sie ...
Und als nun endlich der Trank wirkte, ihre Gedanken aufhellte und ihren Geist beruhigte, nahm sie den Schlaf dankbar an und wünschte, nie mehr daraus aufzuwachen.
Als sie einige Stunden später nur wenig erfrischt die Augen wieder öffnete, war draußen bereits heller Vormittag.
Rosalba hatte die hölzernen Fensterläden weit aufgeklappt, und Vogelgezwitscher erfüllte den ganzen Raum.
Contessa Donatella di Algari sah durch die Fensteröffnung den lavendelblauen Himmel, der sich, wie so oft in der Toskana, hinter einem weichen Schleier versteckte. Sie genoss die würzige Luft der Zypressen und das leise Rascheln der Olivenzweige im Wind.
Sie hatte das Bedürfnis, sich zu recken und zu strecken, um den Schlaf gänzlich abzuschütteln, doch da sah sie Rosalba und wurde sogleich hellwach. Auch der Kummer, die Sorgen und die Angst erwachten auf der Stelle. Doch was war in der Nacht eigentlich geschehen? Sie hatte ein Kind zur Welt gebracht, ein Kind, dem es bestimmt war, im Unglück sein Zuhause zu finden. Die Hebamme hatte den Säugling im Arm gehabt und ihr einen Trunk gereicht. Einen Trunk, der sie alles vergessen ließ. Doch wo war jetzt das Kind? Welches Geschlecht hatte es? Die junge Frau konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern.
»Rosalba, Rosalba!«, rief die Contessa nach der Hebamme, und eine fröhliche Stimme antwortete ihr:
»Guten Morgen, Contessa Donatella. Findet Ihr nicht, dass es langsam an der Zeit ist, Euren neugeborenen Sohn zu begrüßen?«
Nun, da die Nacht verstrichen war, in der die beiden Frauen so eng miteinander verbunden gewesen waren, wie es nur während einer Geburt der Fall ist, hielt sich die Hebamme wieder an die Regeln des Hofes und titulierte die Hausherrin so, wie es sich für eine Bedienstete gehörte.
Die Contessa stutzte. Ein Sohn? Hatte sie wirklich einen Sohn geboren?
Doch viel Zeit zum Staunen blieb ihr nicht, denn schon reichte Rosalba ihr das in weiche, weiße Leinentücher gewickelte Kind. Behutsam nahm Donatella das kleine Bündel, betrachtete aufmerksam die dunkle Haarpracht, den winzigen, kirschförmigen Mund und die kleine Nase mit den geblähten Flügelchen. Als der Säugling sein kleines Gesichtchen verzog, einen hochroten Kopf bekam und schließlich in ein empörtes Weinen ausbrach, lächelte die junge Mutter glücklich und legte ihn an ihre Brust. Sofort verstummte das Gebrüll, das Kind begann zu saugen und Donatella
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