Medaillon des Schicksals (German Edition)
sie weitersprach: »Diese Frau da, diese Hexe, hat das Glück zweier unschuldiger Menschen zerstört. Sie verdient es nicht, zu leben. Sie soll auf dem Scheiterhaufen ihr Leben aushauchen! Erst dann wird es wieder Ruhe und Frieden auf der Burg geben.«
»Das Gericht bin immer noch ich«, unterbrach Monsignore Calzoni Isabellas Rede.
Er sah jetzt nacheinander die Contessa, den Conte und den Kaufmann an und fragte: »Hat jemand von Euch etwas hinzuzusetzen?«
Bei dieser Frage kam Leben in die Contessa. Sie sah auf, schickte einen so Hilfe suchenden Blick zu Calzoni, dass selbst ein Stein Mitleid mit ihr empfunden hätte.
»Was ist, Contessa? Wollt Ihr etwas sagen?«
Die Contessa schwieg, schluckte und wollte wohl gerade den Mund öffnen, als der Conte mit der Hand auf den Tisch schlug, dass die Gläser in die Höhe sprangen.
»Seht Ihr nicht, in welchem Zustand meine Frau ist? Die Ereignisse der letzten Tage haben ihr zugesetzt. Sie braucht Ruhe, denn sie ist krank. Ich werde sie auf ihr Zimmer bringen lassen.«
Er winkte eine Magd herbei und wies diese an, die Contessa hinauszuführen. Wortlos fügte sich Donatella di Algari den Anweisungen ihres Mannes. An der Tür aber drehte sie sich noch einmal um und suchte Rosarias Blick. Und alle sahen mit großer Verwunderung, wie sie Rosaria von fern segnete.
»Ihr seht, wie verwirrt sie ist«, versuchte der Conte seine Frau zu entschuldigen, doch Isabella wusste es besser.
»Gut«, sagte Monsignore Calzoni. »Fahren wir fort. Ich frage dich, Olivenhändlerin Rosaria aus Lucca, gibst du zu, einen Wetterzauber und einen Liebeszauber vollbracht zu haben? Gestehst du freiwillig und ohne Folter, dass du eine Hexe bist?«
Rosaria sah dem Monsignore so fest in die Augen, dass dieser als Erster den Blick senkte.
»Nein, ich bin keine Hexe«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich bin keine Hexe und habe weder einen Liebesnoch einen Wetterzauber gewirkt.«
Der Monsignore stöhnte auf.
»Du weißt, was geschieht, wenn du nicht freiwillig gestehst?«
Rosaria nickte. »Ihr werdet mich foltern lassen.«
»So ist es«, erwiderte der Monsignore und forderte seine beiden mitgebrachten Helfer auf, denen man ihren Beruf schon in den grobschlächtigen Gesichtern ansah, Rosaria in die Folterkammer der Burg zu führen.
Rosaria begann zu zittern. Sie hatte Angst. Doch ihr Stolz, der es nicht zulassen konnte, dass sie Dinge gestand, die sie nicht getan hatte, war stärker.
Mit weichen Knien ließ sie sich in die Folterkammer führen. Als man ihr die Daumenschrauben anlegte und die Folterknechte auf ihre Schmerzensschreie warteten, begann Rosaria zu singen. Die Tränen liefen ihr dabei aus den Augen, doch sie sang mit aller Kraft, übertönte mit ihrem Gesang auch die rasenden Schmerzen und ignorierte selbst das Blut, das ihr unter den Nägeln hervorquoll. Rosaria sang, und die Folterknechte hielten inne. Rosaria sang ihr Abschiedslied für Giacomo, und es drang durch die dicken Mauern der Burg, ertönte in jeder Kammer, in jedem Gang und bewirkte, dass alle einhielten und der schmerzlichen Weise lauschten.
»Welche Küsse mir die liebsten sind, soll ich sagen?
Gibt es zu wählen denn, Geliebter?
Gibst du mir die feuchten Lippen,
dank ich ihnen.
Gibst du mir die brennend heißen,
lieb ich diese,
und wie ist es süß,
die Augen dir zu küssen.
Wenn die meinen vergehen und sterben,
sind deine meiner Leiden Quelle.
Unsere Seelen ineinanderfließen,
eind im anderen so vergeht,
in Lust erstirbt...!
Ob deine Küsse während oder kurz,
Vergehen gebend oder mild und bissig,
du Vielgeliebter – alle lieb ich sie,
gleich köstlich sind mir alle,
deine, meine.
Nur eines: Gib
niemals den Kuss zurück, den ich
dir gab – küss immer andere.
Ez soll ein wechselvolles Spiel sein,
denn die Liebe ist stärker als der Tod.«
Als Rosaria das Lied beendet hatte, bemerkte sie die Rührung in den Augen der Folterknechte. Jetzt spürte sie auch ihre zerquetschten Daumen, sah das Blut unter ihren Nägeln hervorquellen. Eine Welle unerträglichen Schmerzes überflutete sie.
Die Folterknechte kamen näher: »Gesteh, Olivenhändlerin, gesteh doch, dass du eine Hexe bist. Gesteh, dann hören die Schmerzen auf. Mach es dir doch nicht so schwer.«
Stumm schüttelte Rosaria den Kopf.
»Ich bin keine Hexe«, flüsterte sie kaum hörbar. Die Folterknechte sahen sich an. Nach diesem Lied, das ihre Herzen betört hatte, waren sie nicht mehr in der Lage, Rosaria neue Qualen zuzufügen,
Sie nickten sich zu, dann
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