Media Control
Auswirkungen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems auf das gesamte Pressewesen untersucht, also auf die Entscheidung darüber, was Nachrichten sind, auf publikatorische Auswahlkriterien, auf den Umgang mit Nachrichten in Leitartikeln und der Berichterstattung. Die Frage ist dann nicht, wie viele bestimmte Mißbräuchlichkeiten es gibt und wie ihnen abgeholfen werden kann, sondern inwieweit wirkliche geistige Freiheit und soziale Verantwortlichkeit in größerem Umfang unter dem bestehenden Wirtschaftssystem überhaupt möglich sind.«
Verleger und Herausgeber, die der »Öffentlichkeit und der Gesellschaft« ebenso verpflichtet sind wie sie von ihr profitieren, erweisen sich oft als »Hauptfeinde« der wahren Pressefreiheit, fährt Dewey fort. Warum auch sollten sich die »Manager in diesem Geschäftszweig anders verhalten als die Leiter großer Betriebe und Konzerne«? Auch sie müssen ihre »spezifischen Waren« an den Mann bringen, und wenn sie »der Öffentlichkeit geben, was diese haben ›will‹«, dann liegt das »am gegenwärtigen Wirtschaftssystem, das ein Verlangen nach Zerstreuung und Ablenkung sowie eine an Liebe grenzende Neigung zum Verbrechen, sofern es sich bezahlt macht, befördert und dadurch geistige Gleichgültigkeit und Trägheit hervorruft«. 235
Diesen zutreffenden Überlegungen ist wenig hinzuzufügen außer dem Hinweis auf die engen Verflechtungen zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht, die institutionell verankerte Notwendigkeit, sich den Interessen derer zu fügen, die grundlegende gesellschaftspolitische Entscheidungen fällen sowie die Erfolge der etablierten Macht bei der Aushöhlung sozialer Bestrebungen, andere Werte - nämlich unabhängiges Denken und Handeln - zu fördern als Gier, persönlichen Profit und autoritätsgläubige Unterordnung. Das Gewicht dieser Faktoren läßt sich daran erkennen, daß selbst das formelle Recht auf Meinungsfreiheit erst nach langen Kämpfen gegen bestehende gesellschaftliche Ordnungsmuster durchgesetzt werden konnte. 236
Daß die Privilegierten schon in der Entstehungsphase der modernen demokratischen Gesellschaft daran interessiert waren, die Öffentlichkeit zum Gegenstand von Manipulationen zu machen, läßt sich an Äußerungen des Historikers Clement Walker ablesen, der sich 1661 gegen die »radikalen Demokraten« der englischen Revolution wandte:
»Sie haben alle Mysterien und Geheimnisse der Regierungskunst ... vors Volk geworfen (wie Perlen vor die Säue) und den Soldaten und dem gemeinen Mann alles aufgedeckt, indem sie die Regierung auf die ersten Prinzipien der Natur zurückführten ... Sie haben dadurch die Leute so neugierig und hoffärtig gemacht, daß diese nicht mehr demütig genug sind, sich einer zivilen Herrschaft unterzuordnen.« 237
Walkers Sorgen hatten sich bald erledigt: Die Ordnung wurde wiederhergestellt und die »politische Niederlage« der Demokraten war »total und irreversibel«, wie der Historiker Christopher Hill feststellt. 1695 konnte die Zensur aufgehoben werden, weil die »Meinungsbildner sich jetzt selbst zensierten« und »nichts druckten, was den Besitzenden Angst einjagen mochte«. 238
Dennoch hat es immer wieder Versuche gegeben, die Presse frei von Manipulationen zu halten. So schrieb John Stuart Mill: »Nicht der bis zum Äußersten gehende Konflikt zwischen Teilen der Wahrheit ist das gefährliche Übel, sondern die stillschweigende Unterdrückung eines Teils. Es besteht immer Anlaß zu Hoffnung, wenn die Menschen gezwungen werden, beide Seiten zu hören.« Und der Verhaltenskodex der British National Union of Journalists fordert zu einer »fairen und genauen« Berichterstattung, zur Trennung von Meinungsäußerungen und Tatsachen und zur Vermeidung von Verzerrungen, falschen Darstellungen und einseitiger Auswahl auf. 239 Allerdings sind Bemühungen, die Pressefreiheit vor dem Zugriff der Regierung zu schützen, irrelevant, wenn die Medien, unter dem Diktat der Privatwirtschaft, die Verbreitung bestimmter Ideen viel effektiver verhindern können als jede offizielle Zensur. 240
Nicht alle waren von der damit verbundenen Vorstellung, den Meinungspluralismus gesetzlich zu verankern, begeistert. Die Herausgeber des St. Louis Post-Dispatch, lange Jahre eine unabhängige, auf Qualität bedachte Lokalzeitung, stimmte zu, daß man »der Gemeinschaft gegenüber ... verpflichtet ist, die populären wie auch die unpopulären Seiten eines Problems darzustellen«, doch sollte dergleichen nicht gesetzlich
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