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Media Control

Media Control

Titel: Media Control Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Chomsky
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sechziger Jahren. Und es ist zum ersten Mal möglich geworden, sich auf ernsthafte Weise damit auseinanderzusetzen, was den Ureinwohnern Amerikas bei der Eroberung des Kontinents angetan wurde. Darüber hinaus wurden viele andere »notwendige Illusionen« hinterfragt und hernach zu Grabe getragen.
    Von diesen Entwicklungen war auch die Regierungspolitik betroffen. Als John F. Kennedy Südvietnam bombardieren ließ, regte sich noch kein Protest. Zwanzig Jahre später konnte die Regierung Reagan den Terror in Mittelamerika nur noch mehr oder weniger heimlich und indirekt fördern. Die Folgen waren schlimm genug, wären aber ohne die Gegenbewegung in den USA und im Ausland weitaus grauenhafter gewesen.
    Zu Beginn des ersten Kapitels beschäftigte ich mich mit den Fragen der brasilianischen Bischöfe über den Zusammenhang zwischen Demokratie und Medien. Schließen möchte ich, indem ich meine eigene Auffassung zu diesem Problem darlege. Das westliche Bekenntnis zur Pressefreiheit ist angesichts des leichtfertigen Umgangs mit Verletzungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung in den US-Vasallenstaaten und des Eifers, mit dem die Medien sich durch Manipulation, Indoktrination und Kontrolle in den Dienst der Mächtigen und Privilegierten stellen, äußerst fragwürdig. Dagegen würde eine »demokratische Kommunikationspolitik« auf die Entwicklung von Mitteln des Ausdrucks und der Interaktion abzielen, in denen sich die Interessen und Besorgnisse umfassender Bevölkerungsschichten niederschlagen. Ferner würde eine solche Politik den Willen zur Bildung ebenso fördern wie das individuelle und kollektive Handeln. Das wäre ein Desideratum, auch wenn man die Fußangeln und Gefahren nicht übersehen darf. Allerdings bleibt die Fragestellung akademisch, wenn nicht die generellen sozialen Rahmenbedingungen in die Betrachtung einbezogen werden. Die Erfolgsaussichten einer demokratischen Kommunikationspolitik bleiben beschränkt, solange sich die Macht, über den Kurs und die Funktionsweise großer gesellschaftlicher Institutionen zu entscheiden, in wenigen Händen konzentriert. Das Ziel ist also nur über die weitere Demo-kratisierung der Gesellschaft zu erreichen. Dieser Prozeß wiederum benötigt als zentrale Komponente eine demokratische Kommunikationspolitik, die dazu beiträgt, die auf den Nexus von Staat und Wirtschaft beschränkten machtpolitischen Entscheidungsbefugnisse zu entflechten und zu dezen-tralisieren. Diese Demokratie-Konzeption ist zwar so alt, daß sie eigentlich den viel mißbrauchten Terminus »konservativ« verdient hätte, steht jedoch quer zu allen Vorstellungen, die den öffentlichen Diskurs beherrschen.
    Der Mensch ist das einzige Gattungswesen, das eine Geschichte besitzt. Ob es auch eine Zukunft hat, wird von den Chancen populärer Bewegungen abhängen, die in allen Bereichen der Bevölkerung verwurzelt sind und Werte vertreten, welche in der jetzigen gesellschaftlich-politischen Ordnung unterdrückt oder marginalisiert werden: Gemeinschaftlichkeit, Solidarität, Umweltbewußtsein, kreative, selbstkontrollierte Arbeit, unabhängiges Denken und wirkliche demokratische Beteiligung an den verschiedenen Formen des Zusammenlebens.

Anmerkungen
    1. José Pedro S. Martins, Latinamerica Press (Lima), 17. März 1988.
    2. Vgl. Philip Lee (Hg.), Communication for All (Orbis, 1985); William Preston, Edward S. Herman und Herbert Schiller, Hope and Folly: the United States and UNESCO, 1945-1985 (Univ. of Minnesota, 1989).
    3. »Freedom of the Press - Anthony Lewis distinguishes between Britain and America«, London Review ofBooks, 26. Nov. 1987.
    4. M. P. Crozier, S. J. Huntington und J. Watanuki, The Crisis ofDemocracy: Report on the Governability of Democracies to the Trilateral Commission (New York University, 1975).
    5. Vgl. Chomsky, Turning the Tide (South End, 1985, Kap. 5) sowie On Power and Ideology (South End, 1987, Vorl. 5; dt. als Die fünfte Freiheit. Über Macht und Ideologie. Argument-Verlag, 1989). Eine detaillierte Untersuchung dieser Vorgänge bieten Thomas Ferguson und Joel Rogers, Right Turn (Hill & Wang, 1986). Zu den Folgen für die Innenpolitik vgl. Emma Rothschild, »The Real Reagan Economy« und »The Reagan Economic Legacy«, New York Review of Books, 30. Juni und 21. Juli 1988.
    6. Umfrage von New York Times-CBS; Adam Clymer, NYT, 19. Nov. 1985.
    7. Henry Kissinger und Cyrus Vance, Foreign Affairs, Sommer 1988. Um nur ein Beispiel zu geben: Unter zwanzig Industrienationen nehmen die USA

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