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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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untersuchen zu können und von großen Gelehrten unterrichtet zu werden - das war, als verbrächte man seine Jugend in der Dasht-i-Kavir und entdeckte dann, daß einem eine Oase gehörte.
    Das Schild am Eingang zur nächsten Halle überforderte seine beschränkten Persischkenntnisse, doch als er eintrat, erkannte er rasch, daß dieser Raum für die Krankheiten und Verletzungen der Augen reserviert war. In der Nähe stand ein kräftiger Krankenpfleger zitternd vor einem scheltenden Mann. »Es war ein Irrtum, Meister Karim Harun«, beteuerte der Pfleger. »Ich dachte, Ihr hättet mir aufgetragen, Eswed Omars Verbände abzunehmen.«
    »Du Eselsschwanz«, schimpfte der andere angewidert. Er war jung und athletisch schlank, und Rob sah zu seiner Überraschung, daß er den grünen Turban eines Studenten trug, obwohl sein Benehmen so selbstbewußt war wie das eines Arztes, dem das Krankenhaus gehörte, in dem er arbeitet. Er wirkte wie ein gutaussehender Edelmann und war der schönste Mann, den Rob je zu Gesicht bekommen hatte, keine Spur feminin, mit glänzendem schwarzem Haar und tiefliegenden braunen Augen, die jetzt vor Zorn blitzten. »Es war dein Fehler, Rumi. Ich habe dir aufgetragen, die Verbände von Kuru Jesidi zu wechseln, nicht die von Eswed Omar. Ustad Juzjani hat Eswed Omar persönlich den Star gestochen und mir befohlen, dafür zu sorgen, daß seine Verbände fünf Tage lang nicht angerührt werden. Ich habe den Befehl an dich weitergegeben, und du hast ihn nicht befolgt, du Scheißkerl. Wenn nun Eswed Omar nicht vollkommen klar sehen wird, und wenn al-Juzjanis Zorn auf mich fällt, werde ich dir deinen fetten Arsch aufschneiden wie einen Lammbraten.«
    Er bemerkte Rob, der wie angewurzelt neben ihm stand, und runzelte die Stirn. »Was wollt Ihr ?«
    »Mit Ibn Sina darüber sprechen, wie ich in die Ärzteschule kommen kann.«
    »Ihr seid schon drin. Erwartet Euch der Arzt aller Ärzte?«
    »Nein.«
    »Dann müßt Ihr ins erste Stockwerk des nächsten Gebäudes gehen und Hadschi Davout Hosein aufsuchen, den stellvertretenden Leiter der Schule. Der Leiter ist Rotun ben Nasr, ein entfernter Vetter des Schahs und General der Armee, dem es um die Ehre geht und der nie die Schule betritt. Hadschi Davout Hosein leitet sie, an ihn müßt Ihr Euch wenden.« Dann wandte sich der Student Karim Harun wieder verärgert an den Pfleger: »Glaubst du jetzt, du grüne Scheiße auf einem Kamelhuf, daß du Kuru Jesidis Verbände wechseln kannst?«

    Zumindest einige Medizinstudenten wohnten in der Großen Titte, denn entlang des Korridors des düsteren Erdgeschosses lagen viele kleine Zellen. Durch eine offene Tür in der Nähe des Treppenaufganges sah Rob zwei Männer, die offenbar einen gelben Hund aufschnitten, der auf dem Tisch lag und wohl schon tot war. Im ersten Stockwerk ersuchte er einen Mann mit einem grünen Turban, ihm den Weg zum hadschi zu zeigen, und so wurde er schließlich in das Dienstzimmer Davout Hoseins geführt.
    Der stellvertretende Schulleiter war ein kleiner, magerer, noch nicht alter Mann, der sich wichtigtuerisch gab, ein Gewand aus gutem, grauem Stoff und den weißen Turban des Mannes trug, der die Pilgerfahrt nach Mekka hinter sich hat. Er hatte kleine, dunkle Augen, und auf seiner Stirne zeugte eine deutlich sichtbare zabiba von seiner Frömmigkeit.
    Nachdem sie salams ausgetauscht hatten, hörte er sich Robs Gesuch an und musterte ihn eingehend. »Ihr sagt, daß Ihr aus England gekommen seid. Aus Europa! Ah, welcher Teil von Europa ist das?«
    »Der Norden.«
    »Der Norden Europas. Wie lange habt Ihr gebraucht bis zu uns?«
    »Nicht ganz zwei Jahre, Hadschi.«
    »Zwei Jahre? Wie außergewöhnlich! Euer Vater ist ein Medicus, ein Absolvent unserer Schule?«
    »Mein Vater? Nein, Hadschi.«
    »Hm. Vielleicht war es ein Onkel?«
    »Nein. Ich werde der erste Medicus in meiner Familie sein.« Hosein zog die Stirn in Falten. »Wir haben hier nur Studenten, die aus alten Arztfamilien stammen... Besitzt Ihr Empfehlungsschreiben, Dhimmi ?«
    »Nein, Meister Hosein.« In Rob stieg Panik auf. »Ich bin ein Baderchirurg. Ich habe bereits eine gewisse Ausbildung...«
    »Keine Empfehlung von einem unserer berühmten Absolventen?« fragte Hosein erstaunt.
    »Nein.«
    »Wir nehmen nicht jeden erstbesten, der hier auftaucht, als Schüler auf.«
    »Es handelt sich aber um keine vorübergehende Laune. Ich bin schrecklich weit gereist, weil ich fest entschlossen bin, die Medizin zu lernen. Ich habe aus diesem Grund

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