Medicus 01 - Der Medicus
sprechen?«
Rob versuchte zu sprechen, brachte aber keinen Ton hervor, obgleich seine Beine vor Anstrengung einknickten.
Die Soldaten zogen ihn wieder in die Höhe.
»Warum benehmt Ihr Euch wie ein Hund! Natürlich, ein Ungläubiger, der unsere Sitten nicht kennt. Daher ist Barmherzigkeit am Platz. Ihr werdet ihn dem kelonter übergeben, damit er nach dessen Gutdünken im carcan bleibt«, befahl der mufti den Soldaten. So wurde Robs persischer Wortschatz um zwei Wörter erweitert, über die er nachdachte, während ihn die Soldaten aus dem Gebäude schleppten und wieder zwischen ihre Reittiere stellten. Er erriet den einen Begriff richtig; obwohl er es noch nicht wußte, war der kelonter , den er für eine Art Gefängnisaufseher hielt, der Profos der Stadt. Als sie zu einem großen, düsteren Gefängnis kamen, nahm Rob an, daß carcan die Bezeichnung für Kerker war. Drinnen übergab ihn der pockennarbige Soldat zwei Wächtern, die ihn an übelriechenden, widerlich feuchten Verliesen vorbeistießen, bis sie schließlich aus dem fensterlosen Dunkel in einen hellen Innenhof traten, in dem zwei lange Reihen von Elenden ächzend oder bewußtlos im Block saßen.
Die Wächter führten ihn eine Reihe entlang, bis sie zu einer leeren Vorrichtung kamen, die der eine aufsperrte.
»Steckt Euren Kopf um den rechten Arm in den carcan «, befahl er. Instinkt und Angst ließen Rob zurückschrecken, aber seine Bewacher legten dies als Widerstand aus. Sie schlugen ihn, bis er zu Boden fiel, dann versetzten sie ihm Fußtritte wie die Soldaten. Rob konnte sich nur zusammenrollen, um seinen Unterleib zu decken, und die Arme über dem Kopf schützend verschränken.
Als sie mit den brutalen Schlägen aufhörten, schoben und stießen sie ihn wie einen Sack Mehl, bis sie seinen Hals und den rechten Arm in die erforderliche Lage gebracht hatten, dann klappten sie den carcan zu und nagelten ihn zusammen. Fast bewußtlos und ohne Hoffnung ließen sie Rob vollkommen hilflos in der prallen Sonne hängen.
Der Calãt
Es waren ganz besondere Blocks, die aus einem Rechteck und zwei Quadraten aus Holz bestanden, die dreieckig angeordnet waren. Das Dreieck umschloß Robs Kopf, so daß sein Körper halb in der Luft hing. Seine rechte Hand, die zum Essen diente, war über das Ende der langen Rechteckseite gelegt und mit einer hölzernen Manschette über dem Handgelenk festgenagelt worden, denn ein Gefangener erhielt keine Nahrung, solange er im carcan steckte. Die linke Hand, die zum Abwischen diente, war nicht gefesselt, denn der kelonter war ein zivilisierter Mensch.
Von Zeit zu Zeit kam Rob zu sich und starrte auf die lange Doppelreihe von Blöcken, die sämtliche mit einem Unglücklichen besetzt waren. In seinem Gesichtsfeld befand sich am anderen Ende des Hofes ein großer hölzerner Richtblock.
Einmal träumte er von Menschen und Dämonen in schwarzen Gewändern. Ein Mann kniete nieder und legte seine rechte Hand auf den Block; einer der Dämonen schwang ein Schwert, das größer und schwerer war als ein englisches Entermesser, und die Hand wurde am Handgelenk abgetrennt, während die übrigen Gestalten beteten.
Dieser Traum wiederholte sich in der heißen Sonne immer wieder.
Dann veränderte er sich. Ein Mann kniete nieder, so daß sein Nacken auf dem Block lag und seine Augen zum Himmel starrten. Rob befürchtete, daß sie ihm den Kopf abschlagen würden, doch sie schnitten ihm die Zunge heraus.
Als Rob das nächste Mal die Augen aufschlug, sah er weder Menschen noch Dämonen, aber auf dem Boden und dem Richtblock befanden sich frische Flecken, die nicht aus seinen Träumen stammten.
Er spürte beim Atmen Schmerzen. Man hatte ihm die schlimmste Tracht Prügel seines Lebens verabreicht, und er wußte nicht, ob man ihm dabei Knochen gebrochen hatte.
Er hing in dem carcan und weinte leise, versuchte still zu sein und hoffte, daß ihn niemand beobachtete.
Schließlich versuchte er, seine Qual zu mildern, indem er seine Nachbarn anredete, die er gerade noch sehen konnte, wenn er den Kopf drehte. Dies war eine Anstrengung, die er bald nur noch aus triftigem Grund unternahm, denn die Haut an seinem Hals scheuerte sich an dem rauhen Holz, das ihn festhielt, schnell wund.
Links von ihm befand sich ein Mann, den man bewußtlos geschlagen hatte und der sich nicht rührte. Der Junge zu seiner Rechten betrachtete ihn neugierig, doch er war entweder taubstumm, unglaublich dumm oder unfähig, Robs gebrochenes Persisch zu verstehen. Nach
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