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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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langweilt.
    »Ein Inghiliz «, bemerkte der Imam. »Ihr seid derzeit unser einziger Inghiliz , unser einziger Europäer. Warum seid Ihr nach Persien gekommen?«
    »Ich suche die Wahrheit.«
    »Wollt Ihr die wahre Religion annehmen?« fragte Qandrasseh nicht unfreundlich.
    »Nein, denn wir sind uns bereits darüber einig, daß es keinen Allah gibt als Ihn, den Barmherzigsten«, antwortete Rob und segnete die langen Stunden, in denen ihn Simon ben Levi, der gelehrte Händler, unterrichtet hatte. »Es steht im Qu'ran geschrieben: >Ich werde nicht das anbeten, was du anbetest, und du wirst nicht das anbeten, was ich anbete... Du hast deine Religion, und ich habe meine Religion.<«
    Du mußt dich kurzfassen, rief er sich ins Gedächtnis. Leidenschaftslos und mit sparsamen Worten erzählte er, wie er sich im Dschungel des westlichen Persien befunden habe, als ihn plötzlich ein wildes Tier ansprang.
    Der Schah begann langsam, genauer zuzuhören. »In meinem Heimatland gibt es keine Panther. Ich hatte keine Waffe und wußte auch nicht, wie man sich vor einem solchen Tier wehrt.« Er erzählte, wie Alã-al-Dawla Shahansha, gleich seinem Vater Abdallah, der den Löwen von Kashan erlegt hatte, ein Jäger von Großkatzen, ihm das Leben gerettet hatte. Die Menschen, die dem Thron am nächsten standen, begannen ihrem Herrscher mit lauten Zurufen Beifall zu spenden. Gemurmel durchlief die Halle, als die Sprecher die Geschichte den Massen weitergaben, die vom Thron zu weit entfernt waren.
    Qandrasseh rührte sich nicht, aber Rob schloß aus seinem Blick, daß dem Imam weder die Geschichte noch die Reaktion zusagte, die sie bei der Menge ausgelöst hatte.
    »Beeile dich, Inghiliz «, forderte er ihn kühl auf, »und erkläre, was du zu Füßen des einzigen wahren Schahs erbittest.« Rob holte tief Luft, um sich zu beruhigen. »Da auch geschrieben steht, daß jemand, der ein Leben rettet, für dieses verantwortlich ist, bitte ich den Schah um Hilfe, um aus meinem Leben das Bestmögliche zu machen.« Er berichtete von seinem vergeblichen Versuch, als Student in Ibn Sinas Schule für Ärzte aufgenommen zu werden. Die Geschichte von dem Panther hatte sich jetzt bis in die entfernteste Ecke der Halle herumgesprochen, und das große Auditorium erbebte unter dem andauernden Donner stampfender Füße.
    Zweifellos war Alã-al-Dawla an Furcht und Gehorsam gewöhnt, aber vielleicht war es lange her, daß er so spontanen Beifall erhalten hatte. Nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen war dieser Lärm für ihn süße Musik.
    »Ha!« Der einzige wahre Schah beugte sich vor, seine Augen strahlten, und Rob wußte, daß er sich nun an ihn und den Vorfall mit dem Panther erinnerte.
    Der Schah sah Rob einen Augenblick lang in die Augen, dann wandte er sich an den Imam und sagte zum erstenmal seit Beginn der Audienz etwas.
    »Gib dem Hebräer einen calãt «, befahl er.
    Aus einem unerfindlichen Grund lachten die Zuschauer.

    »Ihr kommt mit mir!« forderte ihn ein ergrauter Offizier auf. Er würde in wenigen Jahren ein alter Mann sein, aber jetzt war er noch mächtig und stark. Er trug einen flachen Helm aus poliertem Metall, ein Lederwams über einer braunen Militärtunika und Sandalen mit Lederriemen. Seine Narben sprachen für ihn: die Schwielen von geheilten Schwertwunden leuchteten weiß auf den kräftigen braunen Armen, sein linkes Ohr war plattgedrückt und sein Mund war wegen einer alten Stichwunde unter seinem rechten Backenknochen verzerrt.
    »Ich bin Khuff«, stellte er sich vor, »Hauptmann der Stadtwache. Mir überträgt man Fälle wie den Euren.« Er betrachtete Robs wunden Hals und lächelte. »Der carcan ?«
    »Ja.«
    »Der carcan ist schon eine Sache«, stellte Khuff bewundernd fest. Sie verließen die Halle der Säulen und gingen zu den Ställen. Auf der großen, grünen Wiese mit den Pylonen galoppierten jetzt Männer auf Pferden aufeinander zu, wirbelten herum und schwangen lange Lanzen wie umgekehrte Hirtenstäbe, doch keiner stürzte aus dem Sattel. »Versuchen sie einander zu treffen?«
    »Sie versuchen einen Ball vor sich herzutreiben. Es ist ein Ball- und Stockspiel für Reiter.« Khuff musterte ihn.
    »Es gibt vieles, was Ihr nicht wißt. Wißt Ihr über den calãt Bescheid?« Rob schüttelte den Kopf.
    »Wenn früher jemand die Gunst eines persischen Herrschers errang, nahm der Monarch einen calãt ab, eines seiner Kleidungsstücke, und verlieh es ihm als Zeichen seiner Zufriedenheit. Der Brauch hat sich durch die Zeiten

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