Medicus 01 - Der Medicus
als Zeichen höchster Gunst erhalten. Heute besteht dieses königliche Kleidungsstück aus einer regelmäßigen finanziellen Zuwendung, einem Gewand, einer Wohnstatt und einem Pferd.« Rob war wie benommen. »Dann bin ich reich?« Khuff lächelte, als wäre Rob verrückt. »Ein calãt ist eine einzigartige Auszeichnung, die aber in ihrem Wert sehr unterschiedlich ausfallen kann. Der Gesandte einer Nation, die im Krieg Persiens enger Verbündeter war, würde kostbare Kleidung, einen Palast, der fast so prächtig wie das Haus des Paradieses wäre, und einen feurigen Hengst erhalten, dessen Geschirr und Putz mit Edelsteinen verziert sind. Aber Ihr seid kein Gesandter.«
Hinter den Ställen befand sich ein großer Pferch, in dem sich zahllose Pferde tummelten. Der Bader hatte immer gepredigt, daß man, wenn man ein Pferd aussucht, nach einem Tier mit dem Kopf einer Prinzessin und dem Hinterteil einer fetten Hure Ausschau halten solle. Rob erblickte eine Grauschimmelstute, auf die diese Voraussetzungen zutrafen und aus deren Augen außerdem Stolz sprach. »Kann ich diese Stute haben?« fragte er und zeigte auf sie. Khuff versuchte erst gar nicht, ihm zu erklären, daß es sich bei der Stute um ein Pferd für einen Fürsten handelte, aber ein spöttisches Lächeln verlieh seinem entstellten Mund ein seltsames Aussehen.
Der Stadthauptmann band ein gesatteltes Pferd los und schwang sich darauf. Er ritt in die bewegte Herde und holte geschickt einen ansprechenden, aber recht temperamentlosen braunen Wallach mit kurzen, stämmigen Beinen und kräftigen Schultern heraus.
Khuff zeigte ihm ein großes Brandmal in Form einer Tulpe auf dem Schenkel des Pferdes. »Alã Shahansha ist der einzige Pferdezüchter in Persien, und das ist sein Brandzeichen. Dieses Pferd kann gegen ein anderes, das ebenfalls die Tulpe trägt, eingetauscht, aber nie verkauft werden. Sollte es sterben, schneidet das Stück mit dem Brandzeichen heraus, und ich werde Euch dafür ein anderes Pferd geben.« Khuff überreichte ihm eine Börse, die weniger Münzen enthielt, als Rob durch den Verkauf des Spezificums bei einer einzigen Vorstellung verdient hätte. In einem Lagerhaus in der Nähe suchte der Stadthauptmann, bis er einen brauchbaren Sattel aus Armeebeständen fand. Die Kleidung, die er Rob gab, war gut gearbeitet, aber einfach. Sie bestand aus einer losen Hose, die man an der Taille mit einer Schnur festhielt, leinenen Wickelgamaschen, die über die Hose um die Beine gewunden wurden und wie Bandagen vom Knöchel bis zum Knie reichten, einem losen Hemd, dem khamisa , das bis zu den Knien über die Hose herabhing, einer Tunika, die durra hieß, zwei Mänteln für die verschiedenen Jahreszeiten - einem kurzen, leichten und einem langen, mit Schaffell gefütterten -, einer qalansuwa genannten kegelförmigen Turbanstütze und einem braunen Turban. »Gibt es den auch in Grün?«
»Dieser ist besser. Der grüne Turban ist aus schlechtem, schwerem Stoff; er wird nur von Studenten und den Ärmsten der Armen getragen.«
»Ich will dennoch so einen«, beharrte Rob. Khuff gab ihm einen billigen grünen Turban und warf ihm einen scharfen, verächtlichen Blick zu.
Diener mit wachsamen Augen beeilten sich, den Befehl des Hauptmanns auszuführen, als er sein persönliches Pferd verlangte. Es war ein arabischer Hengst, der der grauen Stute ähnelte, die sich Rob ausgesucht hätte. Rob trug einen Stoffsack mit seinen neuen Kleidern und ritt auf dem frommen braunen Wallach wie ein Edelmann den ganzen Weg bis zur Jehuddijeh hinter Khuff her. Sie ritten lange durch die engen Straßen des Judenviertels, bis Khuff endlich bei einem kleinen Haus aus alten, dunkelroten Ziegeln anhielt. Zum Haus gehörten ein kleiner Stall, der nur aus einem Dach auf vier Pfosten bestand, und ein winziger Garten, in dem eine Eidechse Rob anblinzelte und dann in einer Spalte der Steinmauer verschwand. Vier verwilderte Aprikosenbäume warfen ihren Schatten auf Dornenbüsche, die ausgeschnitten gehörten. Drinnen gab es drei Räume: einen mit einem Fußboden aus gestampftem Lehm und zwei mit Böden aus den gleichen roten Ziegeln wie die Wände, in denen die Füße vieler Generationen flache Mulden' ausgetreten hatten. Die vertrocknete Mumie einer Maus lag in einer Ecke des Raumes mit dem Lehmboden, und ein schwacher, widerlicher Fäulnisgestank hing in der Luft.
»Es gehört Euch«, verkündete Khuff. Er nickte einmal und ging dann fort.
Noch bevor das Geräusch der Hufe seines Pferdes
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