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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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durchkommst, nennen sie dich einen hakim . Wenn du durchfällst, bleibst du Student und mußt auf eine neuerliche Chance warten.«
    »Wie lange bist du schon hier?«
    Karim blickte finster drein, und Rob wußte, daß er die falsche Frage gestellt hatte.
    »Sieben Jahre. Ich bin zweimal zur Prüfung angetreten. Letztes Jahr bin ich in Philosophie durchgefallen. Mein zweiter Versuch hat vor drei Wochen stattgefunden, da waren meine Antworten in Rechtswissenschaft ungenügend. Was kümmern mich die Geschichte der Logik und die Präzedenzfälle des Rechts? Ich bin bereits ein guter Arzt.« Er seufzte bitter. »Außer den Vorlesungen in Medizin mußt du Vorlesungen in Rechtswissenschaft, Theologie und Philosophie besuchen. Du kannst dir deine Dozenten aussuchen. Am besten ist es, möglichst oft die gleichen Dozenten aufzusuchen«, verriet er Rob, »denn manche sind bei der mündlichen Prüfung nachsichtiger, wenn sie jemanden gut kennen. In der maärassa muß jeder die Vormittagsvorlesungen in allen Disziplinen besuchen, und am Nachmittag arbeiten die Medizinstudenten im Krankenhaus. Die Ärzte kommen nachmittags in das Krankenhaus, und die Studenten schließen sich ihnen an, damit sie unter ihrer Aufsicht Patienten untersuchen und Behandlungen vorschlagen können. Die Ärzte stellen ständig Fragen, aus denen man viel lernen kann. Eine großartige Gelegenheit, sich zu bilden oder« - er lächelte sauer - »einen vollkommenen Narren aus sich zu machen.« Rob musterte das unglückliche Gesicht des gutaussehenden Karim. Sieben Jahre! dachte er entmutigt. Und nichts als Ungewisse Aussichten! Dabei hatte dieser Mann sein Medizinstudium zweifellos unter viel besseren Voraussetzungen begonnen als er mit seiner unvollkommenen Bildung.
    Aber alle Befürchtungen und gemischten Gefühle schwanden dahin, als sie die Bibliothek betraten, die das Haus der Weisheit genannt wurde. Rob hätte sich nie vorstellen können, daß es so viele Bücher an einem Ort gab.
    Manche Manuskripte waren auf dickes Pergament aus Tierhäuten geschrieben, doch die meisten Bücher waren aus dem gleichen dünnen Material, auf dem sein calãt festgehalten worden war. »In Persien scheint es nur minderwertiges Pergament zu geben«, bemerkte er.
    Karim schnaubte. »Das ist überhaupt kein Pergament! Es wird Papier genannt, eine Erfindung der Schlitzaugen im Osten, die sehr kluge Ungläubige sind. Habt ihr in Europa kein Papier?«
    »Ich habe es dort nie zu Gesicht bekommen.«
    »Papier besteht aus alten Stoffetzen, die fein gemahlen, mit Knochenleim vermischt und dann gepreßt werden.
    Es ist billig, sogar Studenten können es sich leisten.«
    Das Haus der Weisheit beeindruckte Rob wie kein anderes Erlebnis zuvor. Er ging schweigend in dem Raum herum, berührte die Bücher und merkte sich die Autoren, von denen ihm nur wenige Namen geläufig waren.
    Hippokrates, Dioscurides, Ardigenes, Rufas von Ephesus, der unsterbliche Galen... Oribasius, Philagrios, Alexander von Tralles, Paul von Ägina...
    »Wie viele Bücher stehen hier?«
    »Die madrassa besitzt fast hunderttausend Bücher«, erwiderte Karim stolz. Er lächelte über Robs ungläubigen Gesichtsausdruck. »Die meisten davon wurden in Bagdad ins Persische übersetzt. An der Universität in Bagdad befindet sich eine Schule für Übersetzer, an der Bücher in allen Sprachen des Östlichen Kalifats auf Papier übertragen werden. Bagdads riesige Universität hat sechshunderttausend Bücher in ihrer Bibliothek; sie stehen über sechstausend Studenten und berühmten Lehrern zur Verfügung. Aber eines gibt es, was unsere kleine madrassa besitzt und was ihnen fehlt.«
    »Und zwar?« fragte Rob, und der ältere Student führte ihn zu einer Wand im Hause der Weisheit, die den Werken eines einzigen Autors vorbehalten war. »Ihn«, sagte Karim.

    An diesem Nachmittag sah Rob dann im maristan jenen Mann, den die Perser als Arzt aller Ärzte bezeichneten.
    Auf den ersten Blick war Ibn Sina eine Enttäuschung. Sein roter Ärzteturban war verschossen und nachlässig gewickelt, und seine durra sah schäbig und einfach aus. Er war klein von Statur, und sein Haar lichtete sich, dazu hatte er eine geäderte Knollennase und ein beginnendes Doppelkinn unter dem weißen Bart. Er sah aus wie viele alternde Araber, bis Rob seine durchdringenden braunen Augen bemerkte, die traurig, doch aufmerksam, ernst und seltsam lebendig waren. Rob spürte sofort, daß Ibn Sina Dinge sah, die gewöhnlichen Menschen verborgen blieben. Rob war

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