Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
aufkaufte.
    »Ich mag dich«, gestand er Rob. »Wie kann jemand wie du mit meinem schrecklichen Vetter Arieh befreundet sein?«
    Nun verstand Rob Mirdins anfängliche Zurückhaltung. »Ich bin kein Freund von Arieh. Arieh ist ein Scheißkerl.«
    »Das ist er, ein Scheißkerl, genau das!« rief Mirdin, und sie lachten beide herzlich.
    Der schöne Karim erzählte Geschichten über seine Eroberungen und versprach, für den jungen Ali das schönste Paar Titten im Östlichen Kalifat ausfindig zu machen, sobald sie nach Isfahan zurückkehrten. Karim lief jeden Tag durch die Stadt des Todes. Überall umgab sie der Tod, doch sie waren jung und lebendig, und sie versuchten, ihr Entsetzen zu verdrängen, indem sie so taten, als seien sie unempfindlich und nicht ansteckbar.

    Aufzeichnungen der Medizinerabordnung aus Isfahan:
    Niedergeschrieben am 28. Tag des Monats Rabia I, im 413. Jahr nach der Hedschra.
    Aderlassen, Schröpfen und Purgieren zeitigen wenig Wirkung. Der Zusammenhang zwischen den bubos und dem Tod ist bemerkenswert, denn es erweist sich, daß der Patient wahrscheinlich überlebt, wenn das bubo aufbricht oder seine grüne, übelriechende Absonderung ausscheidet.
    Möglicherweise kommen viele durch das erschreckend hohe Fieber ums Leben, das das Fett ihrer Körper frißt.
    Aber wenn die bubos aufbrechen, fällt das Fieber jäh, und die Genesung beginnt.
    Nach dieser Beobachtung haben wir uns bemüht, die bubos zum Reifen zu bringen, damit sie sich öffnen, indem wir Umschläge von Senf und Lilienknollen, von Feigen und gekochten Zwiebeln, die wir zerstoßen und mit Butter vermischt hatten, aufgelegt haben. Manchmal haben wir die bubos aufgeschnitten und sie wie Geschwüre behandelt, dies aber mit geringem Erfolg. Oft werden diese Schwellungen teils infolge der Krankheit und teils, weil die Wirkung der Zugmittel zu stark ist, so hart, daß man sie mit keinem Instrument aufschneiden kann. Wir haben auch versucht, sie mit Ätzmitteln auszubrennen, aber ohne Erfolg. Viele Patienten sind vor Schmerzen rasend gestorben und manche sogar während der Operation, so daß man uns nachsagen könnte, daß wir diese armen Kreaturen zu Tode gequält haben. Einige wurden jedoch gerettet. Sie wären vielleicht auch ohne uns am Leben geblieben, aber es bringt uns Trost zu glauben, daß wir einigen wenigen helfen konnten.
    Jesse ben Benjamin, Student

    »Ihr Leichenfledderer!« schrie der Mann. Seine beiden Diener ließen ihn unsanft auf den Boden des Pesthauses fallen und flüchteten, zweifellos um sich seine Habseligkeiten anzueignen. Dergleichen war schon fast alltäglich angesichts der Seuche, die die Seelen ebenso schnell verdarb wie die Körper. Kinder mit bubos wurden von ihren vor Angst wahnsinnigen Eltern im Stich gelassen. Drei Männer und eine Frau waren an diesem Morgen geköpft worden, weil sie Plünderer waren, und ein Soldat wurde geschunden, weil er eine Sterbende vergewaltigt hatte. Karim, der die Soldaten die Häuser, in denen es Pestfälle gegeben hatte, mit Eimern voll Kalktünche reinigen ließ, behauptete, daß alle Laster grassierten und daß er Zeuge von unzähligen sexuellen Ausschreitungen geworden sei; offenbar klammerten sich viele mit fleischlicher Wildheit ans Leben.
    Kurz vor Mittag schickte der kelonter , der das Pesthaus nie selbst betrat, einen blassen, zitternden Soldaten, der Rob und Mirdin auf die Straße holen sollte. Kafiz roch an einem mit Gewürzen gespickten Apfel, um die Krankheit abzuwehren. »Ich kann Euch mitteilen, daß die Zahl der Toten gestern auf siebenunddreißig zurückgegangen ist«, berichtete er triumphierend. Es war ein eindeutiger Fortschritt, denn am schlimmsten Tag in der dritten Woche nach Ausbruch der Seuche waren zweihundertsiebzig Menschen gestorben. Kafiz erzählte ihnen, daß Schiras nach seiner Zählung 801 Männer, 502 Frauen, 3.193 Kinder, 566 männliche und 1.417 weibliche Sklaven, 2 syrische Christen und 32 Juden verloren habe.
    Rob und Mirdin tauschten einen verständnisvollen Blick aus, denn ihnen war nicht entgangen, daß der kelonter die Opfer in der Reihenfolge ihrer Bedeutung aufgezählt hatte.
    Der junge Ali kam die Straße herunter. Merkwürdigerweise wollte der Junge an ihnen vorbeigehen, ohne sie zu bemerken. Da rief Rob seinen Namen. Als er zu Ali trat, sah er, daß seine Augen verändert waren. Und als er Alis Kopf berührte, erschreckte ihn die wohlbekannte Hitze. Mein Gott! »Ali«, sagte er freundlich, »du mußt jetzt mit mir ins Haus

Weitere Kostenlose Bücher