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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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verliert, heißt es shahtreng , der Schmerz des Königs. Aber zumeist ist es als Spiel des Schahs bekannt, denn es besteht aus Krieg.« Er lächelte belustigt. »Ich werde dich das Spiel des Schahs lehren, Dhimmi .«
    Er erklärte Rob das Spiel in großen Zügen, dann schenkte er sich wieder Wein ein, trank ihn und funkelte Rob an. »Hast du es verstanden?«
    »Ich glaube ja, Majestät«, antwortete Rob vorsichtig. »Dann wollen wir beginnen.«
    Rob beging Fehler, zog mit manchen Figuren falsch, und jedesmal korrigierte ihn Alã Shahansha murrend. Die Partie dauerte nicht lang, denn Robs Figuren wurden sehr schnell geschlagen, und sein König wurde mattgesetzt.
    »Noch eine Partie!« forderte Alã zufrieden.
    Die zweite Partie war fast ebenso schnell zu Ende wie die erste, doch Rob erkannte allmählich, daß der Schah seine Züge voraussah, da er Hinterhalte gelegt hatte und ihn in Fallen lockte, als führten sie einen echten Krieg.
    Als die zweite Partie zu Ende war, entließ der Schah Rob mit einer Handbewegung.
    »Ein geübter Spieler kann tagelang eine Niederlage abwehren«, erklärte er. »Wer beim Spiel des Schahs gewinnt, ist fähig, die Welt zu regieren. Aber du hast dich für einen Anfänger wacker geschlagen. Es ist keine Schande für dich, shahtreng hinnehmen zu müssen, denn schließlich bist du ja nur ein Jude.«

    Wie angenehm, wieder in dem Häuschen in der Jehuddijeh zu weilen und sich wieder in die Routine des maristan und der Vorlesungssäle zu fügen! Zu seiner großen Freude wurde Rob nicht wieder zum Dienst im Gefängnis eingeteilt, sondern statt dessen für eine Zeitlang im Einrichten von Knochenbrüchen unterrichtet; mit Mirdin zusammen arbeitete er unter hakim Jalal-al-Din. Der schlanke, finstere Jalal war ein typischer angesehener und wohlhabender Exponent der Ärztegemeinschaft von Isfahan. Aber er unterschied sich in vielen Dingen von den meisten Ärzten in Isfahan.
    »Du bist also Jesse, der Baderchirurg, von dem ich schon gehört habe?« fragte er, als Rob sich bei ihm meldete.
    »Ja, Hakim.«
    »Ich kann die allgemeine Verachtung für Baderchirurgen nicht teilen. Es stimmt: Viele sind Diebe und Narren, aber unter ihnen befinden sich auch Männer, die ehrlich und klug sind. Bevor ich Medicus wurde, gehörte ich einem anderen von der persischen Ärzteschaft verachteten Beruf an: Ich war ein reisender Knocheneinrichter, und wenn ich jetzt auch hakim bin, bin ich doch derselbe Mensch geblieben. Auch wenn ich dich als Bader nicht verachte, mußt du dennoch hart arbeiten, um meine Achtung zu gewinnen. Wenn du sie nicht verdienst, werde ich dich mit einem Fußtritt aus meinem Dienst jagen, Europäer!«
    Beide, Rob wie Mirdin, waren bei ihrer harten Arbeit glücklich. Jalal-al-Din war als Spezialist für Knochenbrüche berühmt und hatte die verschiedensten gepolsterten Schienen und Streckvorrichtungen erdacht.
    Er lehrte sie, die Fingerspitzen zu verwenden, als wären sie Augen, die unter verletztes und gequetschtes Fleisch sehen und sich von der Verletzung ein Bild machen konnten, bis die beste Behandlungsmethode gefunden war.
    Jalal war besonders in der Behandlung von Splittern und Bruchstücken geschickt, die er an ihren angestammten Platz zurückschob, wo die Natur sie wieder zu einem Teil des Knochengerüsts machen konnte.
    »Er scheint ein merkwürdiges Interesse an Verbrechen zu haben«, brummte Mirdin nach ihren ersten paar Tagen als Jalals Gehilfen. Und das stimmte, denn auch Rob hatte bemerkt, daß der Arzt sich übermäßig lang über einen Mörder verbreitete, der diese Woche vor Imam Qandrassehs Gericht seine Schuld eingestanden hatte. Ein gewisser Fakhr-i-Ayn, ein Hirte, hatte zugegeben, daß er zwei Jahre zuvor einen anderen Hirten namens Qifti al-Ullah mißhandelt und dann erschlagen und sein Opfer in einem flachen Grab vor den Stadtmauern verscharrt hatte. Das Gericht verurteilte den Mörder, der sofort hingerichtet und gevierteilt wurde.
    Wenige Tage später, als Rob und Mirdin sich bei Jalal meldeten, erzählte er ihnen, daß die Leiche des Ermordeten aus ihrem unwürdigen Grab exhumiert und auf einem mohammedanischen Friedhof mit Gebeten bestattet werden sollte, damit die Seele Zutritt ins Paradies erlange.
    »Kommt!« forderte Jalal sie auf. »Das ist eine seltene Gelegenheit. Heute werden wir Totengräber sein.«
    Er verriet ihnen nicht, wen er bestochen hatte, doch bald begleiteten die beiden Studenten und der Medicus mit einem beladenen Maultier einen mullah und einen

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