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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Soldaten des kelonters zu dem einsamen Hang, den der inzwischen hingerichtete Fakhr-i-Ayn den Behörden angegeben hatte.
    »Seid vorsichtig!« ermahnte sie Jalal, als sie ihre Spaten ansetzten. Bald erblickten sie die Knochen einer Hand, und kurz darauf holten sie das ganze Skelett heraus und legten die Knochen des Erschlagenen auf eine Decke.
    »Zeit zum Essen«, erklärte Jalal und führte den Maulesel in den Schatten eines in einiger Entfernung vom Grab stehenden Baumes. Der Packen, den das Tier trug, wurde geöffnet, und gebratenes Geflügel, üppiger pilaw , große Wüstendatteln, Honigkuchen und ein Krug Scherbett kamen zum Vorschein. Der Soldat und der mullah begannen eifrig zu essen, und Jalal und seine Studenten überließen sie der üppigen Mahlzeit und einem Nickerchen, das sicherlich folgen mußte. Die drei eilten zu dem Skelett zurück. Die Erde hatte das Ihre getan, und die Knochen waren sauber bis auf einen Rostfleck um die Stelle, an der Fakhrs Dolch das Brustbein durchstoßen hatte. Sie knieten murmelnd neben den Knochen und dachten kaum daran, daß die Überreste einmal ein lebendiger Mann gewesen waren.
    »Beachtet den Oberschenkelknochen«, sagte Jalal, »den größten, stärksten Knochen im Körper! Ist es nicht offensichtlich, weshalb es so schwierig ist, einen Bruch am Oberschenkelknochen einzurichten? Zählt die zwölf Rippenpaare. Seht ihr, daß die Rippen einen Korb bilden? Der Brustkorb schützt das Herz und die Lunge, ist das nicht wunderbar?«
    Es war ein großer Unterschied, ob man menschliche Knochen oder das Gerippe eines Schafes studierte, fand Rob. »Das Herz und die Lunge des Menschen - habt Ihr sie schon gesehen?« fragte er Jalal. »Nein. Aber Galen sagt, sie ähneln denen eines Schweines. Die Organe des Schweines haben wir alle gesehen.«
    »Was ist, wenn sie nicht gleich sind?«
    »Sie sind gleich«, entgegnete Jalal ärgerlich. »Wir wollen diese einmalige Möglichkeit zum Studium nicht verstreichen lassen, denn die beiden werden bald wieder kommen. Seht ihr, wie die oberen sieben Rippenpaare durch elastisches Bindegewebe am Brustbein hängen? Die nächsten drei sind durch ein gemeinsames Gewebe verbunden, und die letzten beiden Paare sind überhaupt nicht mit der Vorderseite verbunden. Ist Allah - groß und mächtig ist Er! - nicht der begabteste Schöpfer, ihr Dhimmis ? Ist es nicht ein erstaunliches Gerüst, mit dem Er Seine Menschen aufgebaut hat?«
    Sie hockten in der heißen Sonne und benutzten mit wissenschaftlichem Genuß den Ermordeten zu einer anatomischen Demonstration. Nachher verbrachten Rob und Mirdin lange Zeit im Bad der Schule, wuschen den Leichengeruch weg und lockerten ihre Muskeln, die das Graben nicht gewohnt waren. Dort fand sie Karim, und Rob las vom Gesicht seines Freundes sofort ab, daß etwas nicht in Ordnung war. »Ich soll wieder geprüft werden.«
    »Aber das wünschst du dir doch!«
    Karim warf einen Blick auf zwei Mitglieder des Lehrkörpers, die am anderen Ende des Raumes miteinander plauderten, und senkte die Stimme. »Ich habe Angst. Ich hatte beinahe die Hoffnung auf eine neuerliche Prüfung aufgegeben. Das wird meine dritte sein. Wenn ich diesmal versage, ist alles vorbei.« Er sah die Kameraden finster an. »Jetzt bin ich wenigstens ein diensttuender Student.«
    »Du wirst wie ein Rennpferd durch die Prüfung galoppieren«, munterte ihn Mirdin auf.
    Karim wehrte jeden Versuch, ihm Unbeschwertheit zu vermitteln, ab. »Ich mache mir keine Sorgen wegen des medizinischen Teils. Es geht um die Philosophie und die Rechtswissenschaft.«
    »Wann?« fragte Rob. »In sechs Wochen.«
    »Dann haben wir ja noch Zeit.«
    »Ja, ich werde mit dir Philosophie büffeln«, versprach Mirdin ruhig. »Jesse und du, ihr könnt an deinen Jurakenntnissen arbeiten.« Rob stöhnte innerlich, denn er hielt sich kaum für einen Juristen. Aber sie hatten die Pest gemeinsam überstanden und waren durch ähnliche Erlebnisse in der Kindheit verbunden. Er wußte, daß er es versuchen mußte. »Heute abend fangen wir an«, versprach er und griff nach einem Tuch, um sich abzutrocknen.
    »Ich habe nie gehört, daß jemand sieben Jahre lang Student blieb und dann zum Medicus ernannt wurde«, zweifelte Karim und unternahm keinen Versuch, seine schreckliche Angst vor ihnen zu verbergen, was ein neuer Beweis ihrer Vertrautheit war.
    »Du wirst durchkommen«, meinte Mirdin, und Rob nickte dazu.
    »Ich muß«, sagte Karim.

Das Rätsel
    Zwei Wochen lang forderte Ibn Sina Rob jeden

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