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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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geschäftsmäßig:
    Corporal Alexander Bledsoe,28. Louisiana Mounted Rifles, gegenwärtig als Kriegsgefangener interniert im Gefangenenlager Elmira, Elmira, New York. Bitte wenden Sie sich an mich, wenn ich Ihnen anderweitig behilflich sein kann. Viel Glück!
    Nicholas Holden, Kommissar für Indianerangelegenheiten

Das Gefangenenlager in Elmira
    In seinem Büro las Bankdirektor Charlie Andreson den Betrag auf dem Abhebungsformular und spitzte die Lippen. Obwohl es Shamans eigenes Geld war, das er abheben wollte, nannte er Andreson ohne Zögern den Grund für die Entnahme, denn er wusste, dass er sich dem Direktor anvertrauen konnte. »Ich habe keine Ahnung, was Alex alles brauchen wird. Aber was es auch ist, ich werde eine Menge Geld brauchen, um ihm zu helfen.« Andreson nickte und verließ sein Büro. Einige Minuten später kam er mit einem Bündel Scheine in einem kleinen Leinensäckchen zurück. In der anderen Hand hatte er einen Geldgurt, den er Shaman gab. »Ein kleines Geschenk der Bank für einen geschätzten Stammkunden. Zusammen mit unseren aufrichtigen Glückwünschen und einem Rat, wenn Sie gestatten. Bewahren Sie das Geld in dem Gurt auf, und tragen Sie ihn unter der Kleidung auf der Haut! Haben Sie eine Pistole?«
    »Nein.«
    »Sie sollten sich eine kaufen. Sie haben eine weite Reise vor sich, und es laufen viele gefährliche Burschen herum, die Sie ohne Zögern töten würden, um an soviel Geld zu kommen.«
    Shaman dankte dem Bankdirektor und steckte Geld und Gurt in die kleine Tasche, die er mitgebracht hatte. Er ritt noch die Hauptstraße entlang, als ihm einfiel, dass er doch eine Waffe besaß: den -44er Colt Texas Navy Revolver, den sein Vater einem toten Konföderierten abgenommen hatte, um sein Pferd zu töten, und den er aus dem Krieg mitgebracht hatte.
    Normalerweise wäre Shaman nie auf den Gedanken gekommen, bewaffnet zu reisen, aber er wollte nicht riskieren, dass ihm auf dem Weg zu Alex irgend etwas in die Quere kam, und so wendete er sein Pferd und ritt zu Haskins Laden, wo er sich eine Schachtel Munition für den 44er kaufte. Die Patronen und der Revolver wogen schwer und nahmen viel Platz weg in dem Koffer, den er neben seiner Arzttasche als einziges Gepäck mitnahm, als er am folgenden Morgen Holden’s Crossing verließ.
    Mit einem Dampfer fuhr er Flussabwärts bis nach Cairo und von dort aus mit der Eisenbahn weiter in den Osten. Es war eine beschwerliche Reise, die vier Tage und vier Nächte dauerte. Der Schnee verschwand, als er Illinois verließ, nicht aber der Winter, und die eisige Kälte, die in den schaukelnden Eisenbahnwaggons herrschte, kroch Shaman in die Knochen. Er war müde und erschöpft, als er in Elmira ankam, doch er nahm sich nicht einmal die Zeit, zu baden und sich umzuziehen, bevor er sich auf die Suche nach Alex machte. Der unbändige Drang, sich davon zu überzeugen, dass sein Bruder noch am Leben war, trieb ihn vorwärts.
    Am Droschkenstand vor dem Bahnhof ging er an einem Hansom vorbei und nahm statt dessen einen Buggy, damit er neben dem Kutscher sitzen und sehen konnte, was der sagte. Der Kutscher erzählte stolz, dass die Stadt bereits fünfzehntausend Einwohner zähle. Sie fuhren durch freundliche Straßen mit kleinen Einfamilienhäusern bis in die Außenbezirke und dann die Water Street hinunter und an einem Fluss entlang, den der Mann Chemung River nannte. Bald darauf kam ein hoher Bretterzaun in Sicht, der das Gefangenenlager umgab. Der Kutscher war auch stolz auf dieses Schmuckstück der Stadt und hatte es wohl schon sehr oft erläutert. Er berichtete Shaman, dass der Zaun vier Meter hoch sei, aus »einheimischen Brettern« bestehe und über dreißig Morgen umschließe, auf denen zehntausend gefangene Konföderierte lebten. »Waren auch schon Zwölftausend Rebellen da drin«, sagte er.
    Er wies besonders darauf hin, dass an der Außenseite der Wand, einen guten Meter unterhalb der Oberkante, ein Steg verlaufe, auf dem bewaffnete Wachen patrouillierten.
    Sie fuhren die West Water Street hinunter, wo geschäftstüchtige Einheimische aus dem Lager einen Menschenzoo gemacht hatten: Ein dreistöckiger Holzturm, in dem eine Treppe zu einer mit einem Geländer umgebenen Aussichtsplattform führte, gestattete es jedem, der dafür fünfzehn Cent bezahlte, dem Treiben der Männer im Lager zuzusehen.
    »Früher waren es zwei Türme. Und jede Menge Erfrischungsstände. Haben Kuchen, Kräcker, Erdnüsse, Limonade und Bier an die Leute verkauft, die den Gefangenen

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