Medicus 02 - Der Schamane
hatte sich die anstrengende und schmutzige tägliche Farmarbeit mit ihm geteilt, hatte von ihm unzählige Handgriffe und Kniffe gelernt und hatte bei ihm Zuspruch und Aufmunterung gefunden, als er sich wie ein vaterloser Bastard vorkam und gegen Rob J.s Autorität rebellierte. Shaman wusste, dass Alex Alden liebte.
»Wirst du es den Behörden melden?« Alex wirkte äußerlich ruhig. Nur sein Bruder wusste, wie sehr er litt. »Es wäre zwecklos. Er hat eine Lungenentzündung, die sich sehr schnell verschlimmert.«
»Stirbt er?«
Shaman nickte. »Um seinetwillen bin ich froh«, sagte Alex.
Sie saßen beisammen und überlegten, ob es eine Möglichkeit gab, irgendwelche Angehörigen zu benachrichtigen. Niemand wusste, wo sich die Mormonenfrauen mit ihren Kindern aufhielten, die der Knecht verlassen hatte, bevor er auf Rob J.s Farm gekommen war. Shaman bat Alex, in Aldens Hütte nachzuforschen, und der machte sich sofort daran. Doch als er zurückkam, schüttelte er nur den Kopf. »Drei Krüge Whiskey, zwei Angelruten, eine Flinte, Werkzeug, ein Pferdegeschirr, das er reparierte, schmutzige Wäsche. Und das da.« Er hielt ein Blatt Papier in der Hand. »Eine Liste mit den Namen von Männern aus der Umgebung. Ich glaube, es ist die Mitgliederliste der American Party in dieser Region.«
Shaman wollte sie nicht sehen. »Du verbrennst sie am besten.«
»Bist du sicher?«
Shaman nickte. »Ich werde den Rest meines Lebens hier verbringen und mich um die Leute kümmern. Wenn ich als Arzt in ihre Häuser gehe, will ich nicht wissen, wer von ihnen ein Nichtswisser ist«, sagte er, und Alex nickte und steckte die Liste weg.
Shaman schickte Billy Edwards mit den Namen der Patienten, die zu Hause behandelt werden mussten, in den Konvent, und ließ Mater Miriam Ferocia bitten, die Hausbesuche zu übernehmen. Er schlief, als Alden im Laufe des Vormittags starb. Noch ehe er aufwachte, hatte Alex Alden bereits die Augen geschlossen und ihm frische Kleidung angezogen.
Als sie Doug und Billy den Tod des alten Mannes mitteilten, kamen die beiden ins Haus und standen ein paar Augenblicke vor dem Bett. Dann gingen sie in den Stall, um einen Sarg zu zimmern. »Ich will nicht, dass er hier auf der Farm begraben wird«, sagte Shaman.
Alex schwieg einen Augenblick, doch dann nickte er. »Wir können ihn nach Nauvoo bringen. Ich glaube, er hatte unter den Mormonen dort Freunde«, schlug er vor.
Der Sarg wurde mit dem Buckboard nach Rock Island gebracht und dort auf ein Flachboot verfrachtet. Die Cole-Brüder setzten sich in der Nähe auf eine Kiste Pflugscharen. Und während an diesem Tag die Leiche Abraham Lincolns in einem Eisenbahnzug auf die lange Reise nach Westen ging, fuhr die Leiche des Knechtes den Mississippi hinunter.
In Nauvoo wurde der Sarg am Dampfschiffkai ausgeladen, und Alex wartete bei ihm, während Shaman in ein Lagerhaus ging und dort einem Angestellten namens Perley Robinson erklärte, was sie in die Stadt geführt habe. »Alden Kimball? Kenn’ ich nicht. Sie müssen Mrs. Bidamon um Erlaubnis bitten, wenn Sie ihn hier begraben wollen. Warten Sie! Ich werde Sie fragen.«
Kurz darauf war er schon wieder zurück. Die Witwe des Propheten Joseph Smith hatte gesagt, sie kenne Alden Kimball als Mormonen und ehemaligen Siedler in Nauvoo, und er könne im Friedhof der Stadt begraben werden.
Der kleine Friedhof lag weiter landeinwärts. Der Fluss war nicht zu sehen, aber Bäume spendeten Schatten, und jemand, der mit einer Sense umgehen konnte, hielt das Gras kurz. Zwei kräftige junge Männer schaufelten das Grab, und Perley Robinson, der zum Ältestenrat gehörte, las endlos aus dem »Buch Mormon«, während die Nachmittagsschatten immer länger wurden.
Danach rechnete Shaman ab. Die Begräbniskosten beliefen sich auf sieben Dollar, einschließlich der viereinhalb Dollar für die Grabstelle. »Für zwanzig Dollar sorge ich dafür, dass er einen schönen Stein bekommt«, sagte Robinson. »Gut«, erwiderte Alex schnell. »In welchem Jahr wurde er geboren?«
Alex schüttelte den Kopf. »Das wissen wir nicht. Lassen Sie einfach Alden Kimball. Gestorben 1865 einmeißeln.«
»Wissen Sie was? Wir könnten Heiliger daruntersetzen.« Aber Shaman sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Nur den Namen und das Todesjahr«, sagte er.
Perley Robinson sagte, dass in Kürze ein Boot vorbeifahre. Er zog die rote Fahne auf, damit es anlegte, und bald saßen die Brüder auf Deck, während die Sonne aus einem blutenden Himmel auf Iowa
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