Medicus 03 - Die Erben des Medicus
ich selber immer älter und dicker werde, will ich mich auf keinen Fall über Alte und Dickleibige lustig machen, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß sie sexuell attraktiver sind als junge Frauen, die noch nie Probleme mit Zellulitis hatten. Was die Empfangsdame betrifft, die ist zwar erst neunzehn, aber dürr und gehässig. Insgesamt arbeiten elf Frauen regelmäßig mit Marty, und drei oder vier von ihnen sind wirkliche Schönheiten. Und jede einzelne außer den beiden hat ausgesagt, daß Dr. Murrow sie nie belästigt hat. Eine Krankenschwester erinnerte sich lediglich daran, daß sie eines Montag morgens zu Marty gesagt hatte, sie habe einen Test für ihn. Wenn Sie wirklich ein so scharfer Diagnostiker sind, dann sehen Sie Josie und Francine in die Augen, und sagen Sie mir, welche am Wochenende einen Mann gehabt hat. Wahrscheinlich Francine, hat er geantwortet, weil sie so strahlt.«
»Nicht sehr belastend«, bemerkte R.J. trocken. »Das war das Schlimmste, was sie ihm anlasten konnten. Keine der beiden Klägerinnen konnte irgendwelche Beweise vorbringen, und es war klar, daß sie die Belästigungsklage gemeinsam ausgeheckt hatten, nachdem er sich über sie beschwert hatte. Andere im Center beklagten sich nun ebenfalls über die Arbeitsleistung der beiden, und nach Abschluß der Untersuchung wurde der Schwester und der Empfangsdame gekündigt«
»Und Buchanan?«
»Dr. Buchanan ist noch immer auf seinem Posten. Die ihm unterstehenden Center werfen stattliche Profite ab. Marty wurde von ihm schriftlich darüber informiert, daß die Untersuchung keine Bestätigung der erhobenen Vorwürfe ergeben habe und Marty deshalb wieder am Highland Family Health Center als Internist praktizieren dürfe. Marty erwiderte sofort, daß er vorhabe, Buchanan und die beiden entlassenen Angestellten wegen Verleumdung und die HMO wegen Vertragsbruch zu verklagen. Der Präsident der Gesellschaft kam extra aus Kalifornien zu uns nach Idaho. Er traf sich mit Marty und fragte ihn nach seinen Zukunftsplänen. Als Marty meinte, er habe vor, eine Privatpraxis zu eröffnen, sagte der Präsident, um die negative Publicity eines Rechtsstreits zu vermeiden, sei die Gesellschaft bereit, ihm dabei behilflich zu sein. Er bot an, das Marty bis zum Ende der Vertragslaufzeit noch zustehende Gehalt in bar auszubezahlen, insgesamt zweiundfünfzigtausend Dollar. Außerdem könne Marty die gesamte Ausstattung seines Büros und seiner zwei Untersuchungszimmer mitnehmen, dazu ein EKG-Gerät und eine Sigmoidoskopieausrüstung, mit denen umgehen zu lernen keiner der anderen Ärzte der Mühe wert gehalten hatte. Marty stimmte sofort zu.«
Zu diesem Zeitpunkt, fuhr Gwen fort, sei für sie festgestanden, daß auch sie nicht länger am HMO bleiben wollte. »Aber ich war in der Klemme. Phil hatte seine Liebe zum Dozentenberuf entdeckt, und ich wollte seinen Karriereplänen nicht in die Quere kommen. Doch dann hat er bei einem Kongreß den Dekan der Business School der University of Massachusetts getroffen, und bei dem Gespräch wurde ziemlich schnell klar, daß Phil eine perfekte Ergänzung des dortigen Lehrkörpers darstellen würde. Ich habe dann sofort Buchanan ebenfalls mit einer Klage wegen Vertragsbruchs gedroht, und nach einigem Feilschen erklärte er sich bereit, die Kosten für unseren Umzug in den Osten zu übernehmen. Im September kommen wir wieder zurück, und Phil wird in Amherst unterrichten.« Gwen hielt inne und sah lachend ihrer Freundin zu, die herumtollte wie ein aufgeregtes und sehr glückliches Kind.
Eine Taufe
Und was wirst du tun, wenn du hier bist?« fragte R.J. Gwen zuckte die Achseln. »Ich glaube noch immer, daß privatwirtschaftliche Institutionen Amerikas einzige Chance sind, eine Gesundheitsfürsorge für alle zu erreichen. Wahrscheinlich werde ich mir eine neue HMO suchen, die mich einstellt. Aber diesmal werde ich mich zuerst vergewissern, daß es wirklich eine gute ist«
Am nächsten Morgen ging sie mit R.J. in den Ort. Sie schlenderten die Main Street entlang, und Gwen beobachtete nachdenklich, wie die Leute ihre Ärztin grüßten oder ihr zulächelten. In der Praxis ging sie von Zimmer zu Zimmer, sah sich alles genau an und stellte hin und wieder eine Frage. Während R.J. sich um ihre Patienten kümmerte, saß Gwen im Wartezimmer und las gynäkologische Fachzeitschriften. Mittags bestellten sie bei »Sotheby's« Sandwiches. »Wie viele Gynäkologen gibt es hier in den Hügeln?«
»Keinen einzigen. Die Frauen müssen nach
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