Medicus 03 - Die Erben des Medicus
Anlegen von EKG-Elektroden, Blutdruckmesser und Puls Oxymeter überwachte. R.J. und Gwen standen mit verschränkten Armen außerhalb des sterilen Bereichs und sahen zu, wie Dr. Perrone Toby einhundertzwanzig Milligramm Propofol verabreichte.
Tschüss, meine Freundin! Schlaf gut! dachte R.J. anteilvoll. Der Anästhesist verabreichte nun ein Muskelrelaxans, legte den Trachealtubus und gab Sauerstoff, dem Lachgas und Isofluran beigemischt waren. Schließlich brummte er zufrieden. »Sie ist bereit für Sie, Dr. Noyes.«
Nach wenigen Minuten hatte Daniel Noyes die drei winzigen Einschnitte gesetzt und die faseroptische Linse eingeführt, und Augenblicke später war auf einem Bildschirm das Innere von Tobys Becken zu sehen.
»Endometriale Wucherungen an der Beckeninnenwand«, bemerkte Dr. Noyes. »Das dürfte die Erklärung für die gelegentlich auflretenden undefinierbaren Schmerzen sein, die im Krankenblatt erwähnt sind.« Kurz darauf kam noch etwas anderes ins Blickfeld, und er und seine Beobachter nickten sich zu.
Der Bildschirm zeigte fünf kleine Zysten zwischen den Eierstöcken und den Eileitern, zwei auf der einen Seite, drei auf der anderen.
»Und das dürfte erklären, warum es bis jetzt zu keiner Schwangerschaft gekommen ist«, murmelte Gwen.
»Höchstwahrscheinlich«, entgegnete Dan Noyes fröhlich und machte sich an die Arbeit.
Nach einer Stunde waren sowohl die endometrialen Wucherungen als auch die Zysten entfernt, Toby ruhte im Aufwachraum, und Gwen und R.J. fuhren auf dem Mohawk Trail nach Woodfield zurück, damit R.J. ihre Sprechstunde abhalten konnte.
»Dr. Noyes hat saubere Arbeit geleistet«, sagte Gwen.
»Er ist sehr gut. Nächstes Jahr geht er in Pension. Er hat viele Frauen aus der Umgebung als Patientinnen.«
Gwen nickte. »Hmm. Dann erinnere mich daran, daß ich ihm einen Brief schreibe und ihm Honig ums Maul schmiere«, sagte sie und lächelte R.J. verschwörerisch an.
Gwen mußte am Freitag wieder abreisen und wollte den Donnerstag deshalb nicht ungenutzt verstreichen lassen. »Hör mal«, sagte sie, »ich habe beträchtlich und großzügig zum Wohlergehen deiner Zuckerschoten beigetragen, ich ändere mein ganzes Leben, um deine Partnerin und Nachbarin zu werden, und ich habe bei Tobys Untersuchung beratend mitgewirkt. Gibt es sonst noch etwas, das ich für dich tun kann, bevor ich fahre?«
»Um ehrlich zu sein, ja. Komm mit«, sagte R.J.
In der Scheune suchte sie sich den Drei-Pfund-Schlegel und die riesige, alte Brechstange, die vermutlich noch von Harry Crawford stammte. Sie gab Gwen Arbeitshandschuhe und den Schlegel, hievte selbst die Brechstange auf die Schulter und führte Gwen durch den Wald, den Fluß entlang bis zur letzten Brücke am Ende des Pfads. Die drei flachen Steine lagen noch genau dort, wo sie sie deponiert hatte.
Sie stiegen in den Bach. R.J. brachte das Brecheisen in Position, bat Gwen, es zu halten, und trieb es mitkräfägen Schlägen unter den abgesackten Balken.
»Jetzt«, sagte sie, »müssen wir probieren, ob wir ihn gemeinsam anheben können.«
Sie zählte: »Eins... zwei...« Seit der Unterstufe der High-School kannte R.J. Archimedes' Behauptung, mit einem genügend langen Hebel könne er auch die Erdkugel bewegen. Jetzt glaubte sie an sie. »... drei.«
Und wirklich, als sie und Gwen ächzend die Arme nach oben stemmten, stieg das Ende des Balkens etwas in die Höhe.
»Noch ein Stückchen!« befahl R.J. mit fachmännischem Blick.
»Und jetzt mußt du die Stange allein halten!«
Gwen wurde bleich.
»Okay?«
Gwen nickte. R.J. ließ los und griff nach dem ersten flachen Stein.
»R.J.!« Das Brecheisen wackelte, als R.J. den Stein unter den Balken schob.
Sie bückte sich eben nach dem zweiten, als Gwen aufschrie: »R.J.!Ich...«
Auch der zweite Stein war an Ort und Stelle.
»... kann nicht mehr!«
»Halt durch, Gwen! Halt durch!«
Kaum war der dritte Stein in Position, ließ Gwen los und kauerte sich im Bachbett zusammen.
R.J. mußte die ganze ihr noch zur Verfügung stehende Kraft zusammennehmen, um das Brecheisen unter dem Balken herauszuziehen. Es kratzte laut über den obersten Stein, aber die drei Steine rührten sich nicht. R.J. kletterte ans Ufer und ging über die Brücke.
Sie war einigermaßen eben. Als sie auf den Brettern aufstampfte machte die Konstruktion einen soliden Eindruck. Eine Brücke für Generationen.
Wieder vollführte sie einen Freudentanz. Die Brücke vibrierte zwar, weil sie flexibel war, aber sie sackte nicht
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