Medicus 03 - Die Erben des Medicus
hatte kein Ziel. Es war, als würde das Auto mich fahren, die Wellwood Avenue hinunter, Schnellstraßen entlang, über Brücken.
Nach New Jersey hinein.
In Newark hielt ich beim »Old Glory« an, einer Arbeiterbar direkt an der Schnellstraße.
Ich kippte drei schnelle Drinks, doch dann spürte ich die Blicke und das betretene Schweigen. Wenn ich Jeans oder einen Overall getragen hätte, wäre ich nicht aufgefallen, aber ich hatte einen zerknitterten und erdbeschmutzten marineblauen Einreiher von »Hart, Schaffner & Marx« an, und außerdem war ich ein nicht mehr ganz junger Mann mit Pferdeschwanz. Ich zahlte also und verließ die Bar, ging in einen Schnapsladen und kaufte mir drei Flaschen Beefeaters , mit denen ich mich im nächsten Motel verkroch. Ich habe schon Hunderte von Säufern über den Geschmack von Schnaps reden hören.
Einige beschreiben ihn als »flüssige Sterne«, »Nektar auf der Zunge«, »Stoff der Götter«.
Ich hasse den Geschmack von Whiskey und halte mich an Wodka oder Gin. In diesem Motel suchte ich nur Vergessen und trank, bis ich einschlief. Wenn ich aufwachte, lag ich ein paar Augenblicke verwirrt da, versuchte mich zu orientieren, und plötzlich war die elende Erinnerung wieder da, und ich griff zur Flasche.
Es war ein altes, vertrautes Verhaltensmuster, das ich schon vor langer Zeit perfektioniert hatte. Ich trank nur in verschlossenen Zimmern, wo ich sicher war. Die drei Flaschen hielten mich vier Tage lang betrunken. Danach war mir einen Tag und eine Nacht lang kotzübel, und am nächsten Morgen kaufte ich mir das leichteste Frühstück, das ich bestellen konnte, checkte im Motel aus und ließ mich von meinem Auto irgendwohin bringen.
Das war eine Routine, die ich von früher her noch allzugut kannte und die ich jetzt sehr schnell wieder aufnahm. Ich fuhr nie, wenn ich betrunken war, denn ich wußte, daß nur mein Auto, meine Brieftasche mit den Kreditkarten und mein Scheckbuch mich vor der Katastrophe bewahrten. Ich fuhr langsam und automatisch, mit leerem Hirn, und ich versuchte, die Wirklichkeit hinter mir zu lassen. Aber früher oder später kam immer der Moment, in dem die Wirklichkeit ins Auto stieg und mit mir fuhr, und wenn der Schmerz dann unerträglich wurde, hielt ich an, kaufte mir ein paar Flaschen und suchte mir ein Motelzimmer.
Ich betrank mich in Harrisburg, Pennsylvania. Ich betrank mich am Rande von Cincinnati, Ohio, und in Orten, deren Namen ich gar nicht kannte. So soff ich mich in den Herbst hinein. An einem warmen Morgen - es war noch sehr früh, und ich hatte einen entsetzlichen Kater - fuhr ich irgendeine Landstraße entlang. Es war eine hübsche, sanft hügelige Gegend, etwas flacher als hier in Woodfield, und es gab mehr bestellte Felder als Wald. Ich überholte einen schwarzen Einspänner, der von einem bärtigen Mann mit Strohhut, weißem Hemd und schwarzer, von Hosenträgern gehaltener Hose gefahren wurde.
Amische.
Ich kam an einem Farmhaus vorbei und sah eine Frau in einem langen Kleid und einer Gebetshaube, die zwei Jungen dabei half, Kürbisse von einem Fuhrwerk abzuladen.
Hinter einem Maisfeld entdeckte ich einen anderen Mann auf einem Fünfspänner bei der Haferernte.
Mir war übel, und ich hatte Kopfweh.
Ich fuhr langsam durch dieses Farmland, vorbei an weißen oder ungetünchten Häusern, wundervollen Scheunen, Wassertürmen mit Windmühlen, wohlbestellten Feldern. Zuerst dachte ich, ich sei womöglich wieder in Pennsylvania, vielleicht in der Nähe von Lancaster, aber bald darauf kam ich an ein Ortsschild und erfuhr, daß ich Apple Creek, Ohio, verließ und in den Bezirk von Kidron hineinfuhr. Ich hatte einen mächtigen Durst.
Ich konnte nicht ahnen, daß ich weniger als eineinhalb Meilen von Geschäften, einem Motel, kaltem Coca-Cola und Essen entfernt war... Das erfuhr ich erst später. Ich war an dem Haus bereits vorbeigefahren, als ich am Straßenrand einen leeren Einspänner sah, dessen Deichselarme auf der Straße lagen. Die zerrissenen Riemen des Geschirrs erzählten stumm die Geschichte von einem durchgegangenen Pferd. Dann fuhr ich an einem Mann vorbei, der hinter einer Stute herrannte, die, immer ihren Vorsprung wahrend, genau zu wissen schien, was sie wollte.
Ohne lange nachzudenken, überholte ich das Pferd, versperrte mit dem Auto die Straße, stieg dann aus, stellte mich vor das Auto und schwenkte die Arme vor dem näher kommenden Pferd. Auf der einen Straßenseite war ein Zaun, auf der anderen hoher Mais.
Als die Stute
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