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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Nachmittag machte Dvora einen Cholent für den folgenden Tag, denn am Sabbat war es verboten zu kochen. Sie schichtete Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Perlgraupen und weiße Bohnen in einen irdenen Topf und bedeckte alles mit Wasser. Sie würzte mit Salz, Pfeffer und Paprika und brachte alles zum Kochen. Ein paar Stunden vor Beginn des Sabbat fügte sie einen großen Flanken Rindfleisch hinzu und stellte den abgedeckten Topf in den Ofen, wo das Gericht bei schwacher Hitze bis zum folgenden Abend blieb. Als der Topf geöffnet wurde, hatte der Cholent eine wunderbare Kraste bekommen, und bei dem köstlichen Duft lief mir das Wasser im Mund zusammen.
    Rabbi Moscowitz holte eine Flasche »Seagram's Seven-Crown«-Whiskey aus dem Schrank und füllte zwei Gläser.
    »Für mich nicht.«
    Der Rebbe breitete die Hände aus. »Kein Schnapsel?«
    Ich wußte, wenn ich die Einladung zu diesem Glas annahm, würde ich kurz darauf die Flasche Wodka aus meinem Auto holen, aber dieses Haus war nicht der Ort, um sich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken.
    »Ich bin Alkoholiker.«
    »Ach so...« Der Rebbe nickte und spitzte die Lippen.
    Es war, als wäre ich plötzlich in all die Geschichten eingetaucht, die meine Eltern immer von der jüdisch-orthodoxen Welt, in der sie aufgewachsen waren, erzählt hatten. Aber manchmal wachte ich nachts auf, und dann übermannten mich die Erinnerung und der Schmerz, der einen zur Flasche greifen läßt. Einmal stand ich auf, ging barfuß die Treppe hinunter und hinaus auf den taufeuchten Hof. Ich öffnete den Kofferraum meines Autos, holte den Wodka heraus und trank zwei große Schlucke, als wäre ich am Verdursten, nahm aber die Flasche nicht mit ins Haus. Falls der Rabbi oder seine Frau mich gehört hatten, so sagten sie am nächsten Morgen nichts. Jeden Tag saß ich bei den Gelehrten und fühlte mich dabei wie einer der Cheder-Schüler, die nachmittags in die Klassenzimmer kamen. Diese Männer hatten ihr ganzes Leben lang ihren Geist so geschärft, daß auch noch der geringste von ihnen mir mit meiner beschränkten Kenntnis der Bibel und der Ha lacha, des jtidischen Rechts, um Lichtjahre überlegen war. Ich verschwieg.daß ich Absolvent des Jewish Theological Seminary und ordinierter Rabbi war. Ich wußte, daß für sie ein konservativer oder ein Reform-Rabbi kein Rabbi war. Und mit Sicherheit kein Rebbe.
    Also hörte ich schweigend zu, während sie über Gut und Böse, über Ehe und Scheidung, über koschere und nicht koschere Speisen, über Schuld und Sühne oder über Geburt und Tod debattierten.
    Vor allem ein Disput interessierte mich besonders. Reb Levi Dressner, ein zitternder alter Mann mit einer heiseren Stimme, sprach von drei verschiedenen Gelehrten, die behaupteten, ein hohes Alter könne zwar die Belohnung für Rechtschaffenheit sein, aber auch die Rechtschaffenen könnten schon in jungen Jahren sterben, was ein großes Unglück sei. Reb Reuben Mendel, ein stämmiger Mittvierziger mit rotem Gesicht, zitierte Werk um Werk, um zu belegen, daß die Hinterbliebenen sich mit dem Gedanken trösten dürften, junge Leute würden im Tod oft mit ihrem Vater oder ihrer Mutter wiedervereinigt.
    Reb Yehuda Nahman, ein blasser Junge mit schläfrigen Augen und einem seidigen braunen Bart, führte verschiedene Autoritäten an, die alle sicher waren, daß die Toten eine Verbindung mit den Lebenden aufrechterhielten und sich für deren Belange interessierten.

Kidron
    Dann hast du also das ganze Jahr bei den orthodoxen Juden verbracht?« fragte R.J. »Nein, ich bin auch dort weggelaufen.«
    »Wie ist es dazu gekommen?« fragte R.J., nahm sich ein kaltes Toastdreieck und biß ein Stück ab.
    Dvora Moscowitz war in Gegenwart ihres Gatten und der anderen Gelehrten still und respektvoll, aber ziemlich gesprächig, wenn sie allein mit mir war, so als spüre sie, daß ich anders war.
    Sie arbeitete schwer, um die Wohnung und das Studienhaus rechtzeitig für die hohen Feiertage auf Hochglanz zu bringen, und während sie wusch und schrubbte, erzählte sie mir die Geschichte und die Legenden der Familie Moscowitz.
    »Seit siebenundzwanzig Jahren verkaufe ich jetzt Kleider im Bon Ton Shop . Ich freue mich schon sehr auf nächsten Juli.«
    »Was passiert im Juli?«
    »Da werde ich zweiundsechzig Jahre alt und bekomme die staatliche Rente.«
    Sie genoß die Wochenenden, denn am Freitag und Samstag, ihren Sabbat-Tagen, arbeitete sie nicht, und am Sonntag, dem Sabbat ihres Arbeitgebers, war das Geschäft

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