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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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weiß kaum, was ich sagen, wo ich anfangen soll. Zuerst muß ich Dir wohl sagen, wie entsetzlich leid es mir tut, daß ich Dir so viel unnötigen Kummer bereitet habe.
    Ich will Dich wissen lassen, daß ich noch am Leben und gesund bin. Ich bin jetzt schon seit einiger Zeit trocken, und ich gebe mir die größte Mühe, es auch zu bleiben.
    Ich bin an einem sicheren Ort, in Gesellschaft guter Menschen. Ich komme mit meinem Leben wiederzu Rande.
    Ich hoffe, Du bringst es übers Herz, mit Wohlwollen an mich zu denken, so wie ich mit Wohlwollen an Dich denke.
    Viele Grüße David Er denkt mit Wohlwollen an mich?
    Er wünscht mir frohe Ostern?
    Sie warf Karte und Umschlag auf den Kaminsims. Von einer eisigen, ungeheuren Wut gepackt, preschte sie durchs Haus und lief schließlich nach draußen und in die Scheune. Sie nahm die neue Kettensäge und schleppte sie zum ersten umgestürzten Baum auf ihrem Pfad.
    Sie hielt sich genau an das, was sie von dem Verkäufer und aus der Bedienungsanleitung erfahren hatte: Sie kniete sich hin und stützte den rechten Fuß auf den hinteren Griff, damit die Säge nicht wegrutschte, sie stellte den Handschutz auf, zog den Choke und betätigte den Anlaßschalter. Mit der linken Hand packte sie den vorderen Griff, drückte kräftig nach unten und zog mit der rechten Hand am Startseil. Als auch nach mehrmaligem Ziehen nichts passierte, wollte sie schon aufgeben, doch dann zog sie noch einmal, und die Säge sprang stotternd an. Sie betätigte den Gashebel, und die Säge donnerte los. Dann drehte sie sich zu dem umgestürzten Baum um, gab wieder Gas und hielt das Sägeblatt an den Stamm. Die Kette sauste, und die Zähne fraßen sich ins Holz und durchtrennten leicht und schnell den Stamm. Der Lärm war Musik in ihren Ohren. Diese Kraft! dachte sie. Diese Kraft!
    In kürzester Zeit hatte sie den Stamm in kleine Stücke zerteilt, die sie mühelos tragen konnte. Als die Dämmerung hereinbrach, stand sie mit dröhnender Säge in der Hand da, den Finger noch immer am Gashebel, berauscht vom Erfolg und bereit, alle ihre Probleme einfach abzusägen. Sie zitterte nicht mehr. Sie hatte auch keine Angst vor dem Bär; sie wußte, der Bär würde vor dem Lärm der vibrierenden, reißenden Zähne flüchten. Ich habe es geschafft! sagte sie sich triumphierend. Die Geister des Waldes sind Zeuge, daß eine Frau alles schaffen kann.

Die Brücke
    Zwei Nachmittage hintereinander schleppte sie die Kettensäge in den Wald, um die beiden anderen umgestürzten Bäume zu beseitigen. Am Donnerstag dann, ihrem freien Tag, ging sie sehr früh - die Bäume waren noch vom Tau feucht und kalt - in den Wald und machte sich an die Verlängerung des Pfades. Bis zum Fluß war es nur ein kurzes Stück, so daß sie kurz vor der Mittagspause den Catamount erreicht hatte. Ganz aufgeregt bahnte sie sich von der Biegung flußabwärts weiter ihren Weg.
    Die Säge war schwer. Sie mußte immer wieder aufhören, aber in den Pausen zerrte sie die zersägten Äste und kleinen Bäume vom Pfad und schichtete sie zu Haufen, in denen Hasen und anderes Kleingetier Nester bauen konnten. Am Flußufer lag hier und dort noch Schnee, aber das Wasser strömte wie flüssiges Kristall, schnell und klar. An einer Stelle stieß bereits Stinkender Zehrwurz durch den Schnee, und direkt dahinter entdeckte sie im flachen Wasser am Uferrand einen blauen herzförmigen Stein. Als sie den Ärmel ihres Pullovers hochschob und die Hand ins Wasser streckte, schien auch ihr Arm zu Kris tall zu werden, und der Kälteschock setzte sich bis zu den Zehen fort, Der Stein war schön geformt, und sie trocknete ihn behutsam mit ihrem Taschentuch und steckte ihn in die Tasche. Den ganzen Nachmittag lang trieb sie den Pfad voran, und sie hatte das Gefühl, daß ihr der Herzstein Kraft und Stärke verlieh.
    Abends auf dem Rückweg begleiteten sie das helle Jaulen der Kojoten und das dunkle Rauschen des angeschwollenen Flusses wie eine Serenade. Morgens beim Frühstücken in der Küche, wenn sie ihr Bett machte und beim Aufräumen des Wohnzimmers sah sie durch die Fenster ein Stachelschwein, Habichte, eine Eule, Bussarde und die großen Kolkraben, die das Land übernommen hatten, als hätten sie es langfristig gepachtet. Sie beobachtete auch viele Hasen und einige Hirsche, aber von den beiden Truthennen, die sie im Winter gefüttert hatte, war nichts zu sehen, und sie machte sich ihre Gedanken. Jeden Tag beeilte sie sich nun, nach Hause zu kommen, wo sie die Kleider wechselte

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