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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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stemmen, bevor sie ihn aus dem Graben hinauswuchten konnte. Sie schaffte es beim zweiten Versuch, fast schon einem Akt der Verzweiflung.
    »Heh, Lady, was treiben Sie denn da?«
    Es war ein Polizist, der von oben ungläubig auf sie hinabstarrte.
    »Würden Sie mir bitte heraushelfen?« fragte sie und streckte ihm eine Hand entgegen.
    Es war kein sehr starker Polizist, doch einen Augenblick später hatte er sie schon herausgezogen, was ihn allerdings nicht weniger Anstrengung gekostet hatte als sie zuvor das Herauswuchten des Steins.
    Schwer atmend starrte er sie an, musterte die Erdspuren auf ihrer rechten Wange, die grauen Lehmstreifen auf ihrer schwarzen Hose, den Schmutz auf ihren Schuhen. »Was wollten Sie denn da unten?«
    Sie stand nur da, lächelte ihn glückselig an und dankte ihm für seine Hilfe. »Ich bin Sammlerin«, sagte sie.
    Drei Donnerstage verstrichen, bis sie Zeit fand, die Brücke zu bauen. Sie wußte genau, was zu tun war. Ein halbes dutzendmal war sie zu dem Bach gelaufen, um die künftige Baustelle genau in Augenschein zu nehmen, und immer und immer wieder war sie in Gedanken durchgegangen, wie sie es anstellen wollte.
    Sie mußte zwei etwa gleich große Bäume fällen, die als Stützbalken für die Brücke dienen sollten. Die zugerichteten Stämme mußten stark genug sein, um Gewicht tragen und den Umwelteinflüssen trotzen zu können, dabei aber so leicht, daß sie sie transportieren und in Position bringen konnte. Die beiden Bäume hatte sie sich bereits ausgesucht, und nun machte sie sich sofort mit der Säge an die Arbeit. Das Knurren des Motors und das Jaulen der Kette waren Musik in ihren Ohren, und sie kam sich schon wie eine Expertin vor, während sie die Bäume fällte und zurichtete. Die Stämme waren zwar schlank, sie waren jedoch sehr schwer, aber sie entdeckte, daß sie sie einzeln und Stück für Stück bewegen konnte, indem sie erst das eine Ende anhob und vorwärtswuchtete und dann das andere. Die Erde schien unter dem Aufprall der Stämme zu beben, und sie fühlte sich beinahe wie eine Amazone, wenn sie nur nicht so schnell müde geworden wäre. Mit Pickel und Schaufel grub sie vier flache Löcher, zwei an jedem Ufer, in die sie die Balken einsetzen wollte, damit sie nicht wegrutschten.
    Langsam, aber sicher brachte sie die Balken in ihre endgültige Stellung, wobei sie zum Schluß in den Bach stieg, jeden Balken auf die Schulter nahm und ihn auf diese Weise in die vorbereiteten Aushöhlungen manövrierte. Als sie das erledigt hatte, war es Mittag, und Mücken und Moskitos fielen über sie her, worauf sie sich ziemlich hastig zurückzog.
    Sie war viel zu aufgeregt, um etwas zu kochen, und begnügte sich deshalb mit einem hastig geschmierten Erdnußbutterbrot und einer Tasse Tee. Sie sehnte sich nach einem heißen Bad, aber sie wußte, wenn sie jetzt in die Wanne stieg, würde die Brücke nicht fertig werden, und dabei hatte sie den Sieg doch schon vor Augen. Also sprühte sie sich nur frisch mit Insektenmittel ein und ging wieder nach draußen.
    Von Hank Krantz hatte sie eine Fuhre Scheinakazienbretter gekauft - sie waren hinter dem Haus aufgestapelt -, und aus diesen sägte sie sich einen Meter zwanzig lange Planken zurecht, wobei sie darauf achtete, daß alle möglichst die gleiche Stärke hatten. Dann trug sie sie, immer drei oder vier auf einmal, zur Brückenbaustelle. Danach war sie so erschöpft, daß sie eine zweite Teepause einlegte. Aber sie wußte, daß das, was jetzt noch zu tun war, deutlich im Bereich ihrer Möglichkeiten lag, und dieses Wissen beflügelte sie, während sie die Planken nebeneinander auf die Balken legte und festnagelte. Die Schläge des Hammers hallten laut durch den Wald und verscheuchten jedes wilde Tier, das es wagte, sich ihrem Territorium zu nähern.
    Als schließlich die spätnachmittäglichen Schatten anfingen, den Wald zu verdunkeln, hatte sie es geschafft. Die Brücke war solide. Das einzige, was noch fehlte, war ein hübsches, weißes Birkengeländer, doch das würde sie irgendwann später anbringen. Die Brücke federte ein bißchen stark, das mußte sie zugeben, und das wäre nicht passiert, wenn sie mit dickeren Stämmen hätte arbeiten können. Aber insgesamt war sie ein solides Bauwerk, das seinen Zweck erfüllen würde. Sie stellte sich mitten auf die Brücke und vollführte einen Freudentanz. Da bewegte sich am östlichen Bachufer das rechte Ende der Brücke leicht.
    Als sie zur Stelle ging und auf und ab hüpfte, sank das Ende ein

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