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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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im Palast bezog, lag in einem Trakt, wo ansonsten mittlere Ränge der kaiserlichen Garde und mittlere Würdenträger untergebracht wurden. Schreiber und Sekretäre, aber auch Verwalter und Hofmeister, die dafür zu sorgen hatten, dass im Palast alles reibungslos ablief – gehobene Bedienstete, von denen die meisten den Kaiser kaum öfter sahen als das gemeine Volk in der Stadt.
    Manch begabter Handwerker war auch darunter. Ein Goldschmied, dessen Schmuck bei den Damen am Kaiserhof besonderen Anklang fand, und sogar ein Lautenspieler und Sänger, der unter Kaiser Johannes noch hoch angesehen gewesen war und dessen Tage am Hof unter Kaiser Konstantin XI. wohl gezählt waren, da dieser die Ansicht vertrat, dass Musik ausschließlich religiösen Zwecken zu dienen habe, und sie in ihrer weltlichen Ausprägung ablehnte. Es gab einen eigenen Speisesaal für diese Palastbewohner. Mit den wirklich einflussreichen Herrschaften, die so gut wie immer aus den alteingesessenen Adelsfamilien stammten, hatten sie keinerlei Berührung.
    Cagliari gehörte auch zu ihnen. Seine Helfer hingegen wurden im Palast nicht geduldet. Sie lebten in den Kellern, in denen sie auch arbeiteten. Es gab schließlich Raum genug in der Unterwelt Konstantinopels.
    Dass man Wolfhart mehr entgegengekommen war, schob dieser darauf, dass er immerhin einen akademischen Grad besaß, auch wenn vermutlich kein Einheimischer von Konstantinopel den Namen der Universität Erfurt auch nur schon einmal gehört hatte. Aber es konnte auch daran liegen, dass Fausto Cagliari ihn als in gewisser Weise ebenbürtig betrachtete.
    Cagliari benutzte sein Quartier im Palast allerdings selten. Oft verbrachte er auch die Nächte in den Kellern, schlief nur ein paar Stunden auf einer kargen Pritsche und ließ sich dann von dem hinkenden Lazaros wecken.
    Wolfhart hingegen hatte das Bedürfnis, die Unterwelt zwischenzeitlich zu verlassen – und wenn es nur für wenige Stunden am Tag war. Diese Gewölbe wirkten auf die Dauer einfach nur bedrückend. Dasselbe galt für die Pestleichen und die dahinsiechenden Ratten, deren Schmerzensschreie manchmal eine erschreckende Ähnlichkeit mit den Lauten kleiner Kinder hatten.
    Und darüber hinaus nahm er auch gerne die Möglichkeit wahr, eine Speisung zu bekommen. Ein Festbankett war das zwar nicht, aber das Essen war viel besser als in fast allen öffentlichen Gasthäusern, die Wolfhart jemals betreten hatte.
    Sein Quartier war ein kleiner Raum mit einem hohen Fenster. Wolfhart fühlte sich an eine Mönchszelle erinnert. Es gab ein einfaches Bett, und an der Wand hingen ein Kreuz und ein Bild im Stil der Ikonenmaler, von denen einige im gleichen Trakt untergebracht waren.
    Zumeist war Wolfhart allerdings so müde, dass er sofort einschlief und sogar die Mahlzeiten vergaß. Manchmal kam er am frühen Morgen oder sogar erst am Nachmittag in sein Zimmer, nachdem er anderthalb Tage in der engen Schutzmontur verbracht hatte.
    Oft dachte er dann an Maria – und dass er sie gerne wiedersehen würde. Ihre leidenschaftliche Begegnung im Kontor glich in seiner Erinnerung einem Fiebertraum, von dem man anschließend nicht so recht wusste, ob es wirklich nur ein Traum gewesen war.
    Jedenfalls hatte er nie zuvor eine Frau wie sie kennengelernt. Und er konnte sich auch nicht erinnern, jemals eine ähnlich starke Empfindung für einen anderen Menschen gehabt zu haben.
    Du hast dich entschieden!, ermahnte er sich. Entschieden für ein Leben, das man alles andere als standesgemäß bezeichnen konnte. Wenn er ein Kaufmannssohn aus Lübeck geblieben wäre, hätte er unter günstigen Umständen daran denken können, Maria zu heiraten und mit ihr ein paar Kinder großzuziehen. Aber das war ein flüchtiger Wunschtraum. Er hatte einen vollkommen anderen Weg eingeschlagen und sich damit aus jenem Kreis entfernt, der für Maria in Frage gekommen wäre.
    Am besten, man akzeptierte die Dinge, wie sie nun einmal waren.
    Auch wenn er keinem Orden beigetreten war, so hatten sie sich doch alle ihrer Aufgabe auf ähnliche Weise verschrieben wie ein Mönch, der mit aller Konsequenz Jesus nachfolgen und sich einer Sache widmen wollte, die keinen Platz für etwas anderes ließ.
    Oh Herr, warum hast du uns nur ein einziges Leben gegeben!, dachte Wolfhart nicht zum ersten Mal.

Sechzehntes Kapitel

    Hinter der Maske
    Ein Reiter preschte durch die Straße, die vom Forum Tauri entlang des Valenus-Aquädukts zur Apostelkirche führte. Die Nähe zum Aquädukt und der dadurch

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