Meditation
Baum da, stark und widerstandsfähig. So fangen wir auch mit gewöhnlicher Achtsamkeit an und lassen sie wachsen, bis sie groß und stark ist.
Denkt immer daran, dass Achtsamkeit eigentlich nur im gegenwärtigen Augenblick existieren kann und einen stillen Geist braucht. Bewusstheit Augenblick für Augenblick, das muss euer Ziel für den Anfang sein. Benennt die Dinge nicht. Wenn ihr etwas benennt, nehmt ihr nicht die Sache selbst wahr, sondern nur die Bezeichnung. Leider ist es im westlichen Ausbildungssystem so, dass wir vor allem lernen, alle Dinge zu benennen. Wer durch diese Gehirnwäsche gegangen ist, sieht die Dinge nicht mehr so, wie sie wirklich sind, sondern achtet nur auf die Worte, mit denen sie beschrieben werden. Achtsamkeit kommt dann nicht wirklich zum Zug.
Wie können wir achtsam werden?
Wenn ihr euch Jetzt-Gewahrsein und Stille als wichtige Ziele gesetzt habt, werdet ihr feststellen, dass eure Achtsamkeit zunimmt, dass ihr klarer und bewusster werdet und die Dinge tiefer erfasst. Ihr wacht auf. Aber das verlangt Training. Es gibt Tricks, deren ihr euch bedienen könnt. Fragt euch: »Wo bin ich?«, »Was tue ich?«, »Worauf will ich hinaus?« Unsere Meditation im Gehen damals in Thailand im Wat Pah Pong ist ein schönes Beispiel für dieses Vorgehen. Ajahn Chah hat es uns vorher immer eingeschärft: Macht euch klar, dass ihr jetzt an diesem Ende des Meditationspfads seid. Wenn ihr drüben ankommt, seid euch bewusst, dass ihr am anderen Ende seid. Dann schaltet am Anfang und Ende eines bestimmten Abschnitts der gesamten Pfadlänge auf Achtsamkeit um. Selbst wenn die Achtsamkeit irgendwo auf diesem Abschnitt doch wieder abschweift, seid ihr wenigstens sicher, dass ihr den Geist am Anfang und am Ende des Abschnitts in die Gegenwart zurückholt. Das baut man auf, bis man über die gesamte Strecke achtsam bleiben kann.
Diese Form der Achtsamkeit ist sehr nützlich, weil man sich darauf einstellt, sowohl aktiv als auch achtsam zu sein. Von da aus kann man die Achtsamkeit zum Beispiel auf das Essen oder auf den Abwasch in der Küche ausdehnen. Du bist dann wirklich bei dem, was du tust, und willst es nicht bloß hinter dich bringen, während du eigentlich an etwas anderes denkst. Achtsamkeit entsteht dadurch, dass du hundert Prozent Aufmerksamkeit in das legst, was du jeweils tust – ohne an das zu denken, was als Nächstes dran ist.
Mit dieser Art des Trainings – alles in den Augenblick legen – baust du Aufmerksamkeitsenergie für das Jetzt auf. Wenn du einen Brief schreibst, sammelst du dich mit ganzer Kraft auf das Schreiben dieses Briefs. Wenn du in deiner Hütte meditierst, sammelst du dich mit ganzer Kraft darauf. Du richtest deine Aufmerksamkeitsenergie immer nur auf eine Sache, dadurch verschwimmt sie nicht in Richtung des nächsten Vorhabens. Wenn etwas fertig ist, wende dich gleich davon ab; lass die Dinge nicht ineinanderfließen. Wenn du dich zum Meditieren hinsetzt, ist nur noch Meditation dran. Wenn du zur Toilette gehst, ist nur das dran. Wenn du dir die Zähne putzt, geschieht nichts als Zähneputzen. Leg in alles, das du tust, deine gesamte Aufmerksamkeit. Das ist keine Zeitverschwendung; es ist auch keine vorbereitende Übung.
Wenn ihr euch ganz auf diesen Augenblick sammelt, bildet ihr Achtsamkeit heran. Achtet auf innere Gespräche, versucht sie gleich abzufangen, bemüht euch um Augenblicke der Stille, die ihr dann ausweiten könnt. So werdet ihr immer besser in der Lage sein, einfach nur hier zu sein, aufmerksam und bewusst. Ihr bleibt im Augenblick, ihr geht sonst nirgendwohin, ihr lasst euch nicht auf Zukunftsgedanken ein. Der Geist ist still, und da ihr gar nichts tut, als hier zu sein, könnt ihr das, was gerade geschieht, wirklich aufnehmen.
Passiv und empfänglich zu sein – das beschreibt die Achtsamkeit nicht nur sehr gut, sondern ist auch das Rezept für ihre Vertiefung. Es gehört zum Wesen der Achtsamkeit, dass sie ihre Dichte und Energie aus der Stille bezieht. Je stiller ihr werdet, desto tiefer und kerniger wird eure Achtsamkeit. Wenn ihr das Denken ausklingen lasst und die Dinge nicht mehr benennt, kommen die Regungen des Geistes größtenteils zum Erliegen. Das schafft die Stille, in der energiereiche Achtsamkeit wachsen kann. Deshalb haben diese Zeiten, in denen wenig inneres Gespräch stattfindet, etwas so Kraftvolles.
Mit zugespitzter Achtsamkeit könnt ihr Gedanken abfangen, sobald sie sich abzeichnen und noch leicht anzuhalten sind. Seid ihr erst
Weitere Kostenlose Bücher