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Medizin für Melancholie

Medizin für Melancholie

Titel: Medizin für Melancholie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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»Cora, was geht hier vor? Was ist das? Wir müssen fort.« Er stürzte durch den Garten und berührte jeden Baum. »Die Rosen! Die Rosen werden grün!«
    Sie standen da und betrachteten die grünen Rosen.
    Zwei Tage später kam Dan hereingelaufen. »Kommt und seht euch die Kuh an. Ich war gerade beim Melken, da merkte ich es. Kommt mit!«
    Sie standen im Schuppen und betrachteten ihre einzige Kuh.
    Auf ihrem Kopf wuchs ein drittes Horn.
    Und der Rasen vor ihrem Haus wurde langsam, unmerklich veilchenfarben. Samen von der Erde, aber er keimte in zartem Violett.
    »Wir müssen fort«, sagte Bittering. »Wenn wir dieses Zeug essen, werden auch wir uns verändern – wer weiß, wie. Ich kann das nicht zulassen. Da gibt’s nur eins: die Nahrung verbrennen!«
    »Sie ist nicht vergiftet.«
    »Doch. Heimlich, ganz heimlich. Leicht, ganz leicht. Wir dürfen sie nicht anrühren.«
    Er blickte erschreckt zum Haus hinüber. »Sogar das Haus. Der Wind hat es irgendwie verwandelt. Die Luft hat es verbrannt. Der Nebel nachts. Die Bretter, alle verzogen und verkrümmt. Das ist nicht mehr das Haus eines Erdenmenschen.«
    »Ach, das ist nur deine Einbildung!«
    Er zog sich das Jackett an und band die Krawatte um. »Ich gehe in die Stadt. Wir müssen jetzt etwas tun. Ich komme gleich wieder.«
    »Warte, Harry!« rief seine Frau.
    Aber er war schon fort.
    In der Stadt, auf den schattigen Stufen vor dem Kaufmannsladen, saßen die Männer mit den Händen auf den Knien und unterhielten sich sorglos und ruhig.
    Mr. Bittering hätte am liebsten einen Pistolenschuß in die Luft abgefeuert.
    Was macht ihr nur hier, ihr Dummköpfe? dachte er. Ihr hockt da herum! Habt ihr denn nicht die Nachrichten gehört – wir sitzen auf diesem Planeten fest. So rührt euch doch! Erschreckt euch das nicht? Was gedenkt ihr zu tun?
    »Tag, Harry«, sagten sie alle.
    »Sagt mal, habt ihr neulich die Nachrichten gehört?« fragte er sie. Sie nickten und lachten. »Aber natürlich, Harry.«
    »Und was wollt ihr also tun?«
    »Tun, Harry, tun? Was können wir schon tun?«
    »Ein Raumschiff bauen, was sonst?«
    »Ein Raumschiff? Um in all die Unruhe zurückzukehren? Ach, Harry!«
    »Aber ihr müßt doch zurückfliegen wollen. Sind euch die Pfirsichblüten, die Zwiebeln und das Gras nicht aufgefallen?«
    »Nun ja, ich glaube schon«, antwortete einer der Männer.
    »Hat euch das gar nicht beunruhigt?«
    »Ich kann mich eigentlich nicht erinnern.«
    »Ihr Idioten!«
    »Aber Harry!«
    Bittering hätte am liebsten geschrien. »Ihr müßt mit mir zusammenarbeiten. Wenn wir hierbleiben, werden wir uns alle verwandeln. Die Luft. Riecht ihr es nicht? Da ist etwas in der Luft. Ein Marsvirus vielleicht, irgendein Pollen. Hört zu!«
    Sie starrten ihn an.
    »Sam«, sagte er zu einem von ihnen.
    »Ja, Harry?«
    »Willst du mir helfen, ein Raumschiff zu bauen?«
    »Ich habe eine große Ladung Metall und ein paar Skizzen. Wenn du in meiner Metallwerkstatt ein Raumschiff bauen willst, bitte sehr, gern. Ich verkaufe dir das Metall für fünfhundert Dollar. Wenn du allein arbeitest, wirst du in etwa dreißig Jahren ein richtiges hübsches Raumschiff zusammenbasteln können.«
    Sie lachten.
    »Da gibt’s nichts zu lachen.«
    Sam sah ihn still und freundlich lächelnd an.
    »Sam«, begann Bittering. »Deine Augen…«
    »Was ist mit ihnen, Harry?«
    »Waren die nicht früher grau?«
    »Das weiß ich nicht so genau.«
    »Doch, sie waren grau. Stimmt’s?«
    »Warum fragst du, Harry?«
    »Weil sie jetzt gelblich sind.«
    »Tatsächlich, Harry?« fragte Sam gleichmütig.
    »Und du bist größer und dünner geworden.«
    »Das mag schon sein, Harry.«
    »Sam, du solltest keine gelben Augen haben.«
    »Und welche Farbe haben deine, Harry?« fragte Sam.
    »Meine? Die sind blau, natürlich.«
    »Da, Harry.« Sam gab ihm einen Taschenspiegel. »Sieh dich an.« Mr. Bittering zögerte, dann hob er den Spiegel vor sein Gesicht. Er bemerkte kleine, ganz schwache, in das Blau seiner Augen eingestreute goldene Flecken.
    »Aber sieh doch, was du getan hast«, sagte Sam einen Augenblick später. »Du hast meinen Spiegel zerbrochen.«
     
     
    Harry Bittering zog in die Metallwerkstatt ein und begann das Raumschiff zu bauen. In der offenen Tür standen Männer und unterhielten sich und scherzten miteinander, ohne die Stimmen zu erheben. Ab und zu halfen sie ihm, wenn er etwas tragen mußte. Aber meist standen sie müßig herum und sahen ihm mit ihren immer gelber werdenden Augen zu.
    »Es ist

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