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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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mörderisch, sie waren umgeben von einem tückischen Salzsee und mussten wie eine Opferziege darauf warten, von einem Löwen in Gestalt Oberst Durands gejagt und verspeist zu werden. Mit leisen Flüchen beobachtete er, was Kore tat. Der Tuareg ging um die Dromedare herum, legte ihnen die Hand auf die Nüstern, wobei sich eins nach dem anderen zur Rast niederlegte. Aus den Tiefen ihres Magens begannen die Tiere Pflanzenfasern hochzuwürgen und genüsslich darauf herumzukauen.
    »Ich werde Sie für eine kurze Weile allein lassen müssen.
    Setzen Sie sich am besten in den Schatten der meharis , ich habe noch etwas zu erledigen.«
    Noch ehe Chris fragen konnte, was das jetzt wieder zu bedeuten hatte, lief Kore mit weiten Schritten in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Er schüttelte den Kopf. »Kannst du dir vorstellen, was er vorhat?«
    »Keine Ahnung. Aber Kore überlässt nichts dem Zufall, da kannst du sicher sein. Komm, setz dich.«
    Chris löste sein Kopftuch und ließ sich neben ihr nieder, mit dem Rücken an Bouchas Flanke gelehnt. Hannahs Nähe weckte Erinnerungen an eine Zeit, in der sie öfter nebeneinander gesessen und sich unterhalten hatten. Es schien eine Ewigkeit her zu sein. Er seufzte.
    »Schwere Gedanken?«
    »Hm? Nein, im Gegenteil. Ich habe gerade an den Tag gedacht, an dem wir den Eingang zur Krypta gefunden haben. Bevor alles begann …«
    »Verstehe.«
    »Es kommt mir so vor, als wäre ich damals ein anderer Mensch gewesen.«
    Sie nickte. »Es ist inzwischen viel geschehen. Weniges davon war gut.«
    Sie schien eine Weile in Gedanken zu versinken, ehe sie weitersprach. »Aber das mit uns war gut.«
    »Ich freue mich, dass du das auch so siehst. Warum nur musste alles schief gehen? Es tut mir so Leid, was ich …«
    Sie legte ihren Finger auf seine Lippen und brachte ihn zum Schweigen. Ihre Hand wanderte seinen Nacken empor und zog ihn zu sich herüber.
    Als sie sich küssten, spürte er, dass ihre Lippen rau und rissig waren. Nicht so wie an jenem Tag, als sie sich geliebt hatten. Aber es war ihm egal. Der Kuss hätte einen Toten zum Leben erwecken können. Er war wie ein Versprechen für die Zeit danach …
    Als sie sich voneinander lösten, hatte sich etwas verändert. Er sah in ihre Augen und spürte, dass die Mauer zwischen ihnen zu bröckeln begann. Es schien, dass sie sich zum ersten Mal so sahen, wie sie in Wirklichkeit waren, mit all ihren Fehlern und Schwächen. Und das war ein wunderbares Gefühl.
    Hannah schien das genauso zu sehen, denn statt den Augenblick zu zerreden, griff sie nach seiner Hand und drückte sie. Sie lehnte sich nach hinten, gegen die warme Flanke des Tieres und schloss die Augen.
    Chris versuchte währenddessen herauszufinden, wohin Kore verschwunden war. Er beschirmte seine Augen mit der Hand und suchte den Horizont ab. Nach einer Weile entdeckte er einen kleinen flimmernden Punkt in weiter Ferne, der auf merkwürdige Art hin und her zu zucken schien. Mal war er groß und aufrecht, dann wieder klein und geduckt. Es hatte beinahe den Anschein, als würde dort ein Mensch auf allen vieren kriechen. Der Punkt wanderte langsam weiter nach rechts, wobei er nicht aufhörte, seltsame Verrenkungen zu vollführen. Chris schob las Phänomen auf die flirrende Luft, die Kores Umrisse verbog und verzerrte. Er hielt die Erscheinung aber für nicht Aufsehen erregend genug, um Hannah aus ihrem Halbschlaf zu wecken. Aber merkwürdig war es schon, was ihr Führer da machte. An einem bestimmten Punkt richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und blieb einige Minuten regungslos stehen. Chris vermutete, dass er ihre Spur bis zu dem Punkt zurückverfolgt hatte, an dem sie zum ersten Mal an das Ufer des Salzsees gestoßen waren. Doch zu welchem Zweck? Eine Weile schien es, als rührte sich Kore nicht vom Fleck, doch dann hatte Chris den Eindruck, dass die Umrisse des Tuareg deutlich größer wurden. Er kniff die Augen zusammen. Tatsächlich, Kore kam näher. Er ging über die dünne Salzkruste. Immer wieder bückte er sich und wischte mit seinen Händen über den Sand. Dann erhob er sich wieder und ging ein paar Schritte, ehe er die Bewegung wiederholte. Chris sah es jetzt ganz deutlich Kore malte etwas mit seinen Händen auf den Boden. Er hatte sie fast erreicht, als es Chris wie Schuppen von den Augen fiel. Kore imitierte die Trittsiegel von Dromedaren. Langsam dämmerte ein Verdacht in ihm, und als ihm klar wurde, was Kore getan hatte, zerstreuten sich alle Zweifel. Er stand

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