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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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seinem Wissen beeindrucken zu können, doch der alte Mann blickte ihn nur stirnrunzelnd an.
    »Wie kommen Sie denn darauf? Sieht das hier etwa wie eine Gegend aus, in der es Treibsand geben könnte?«
    Da Chris keine Ahnung hatte, wie eine Treibsandzone auszusehen hatte, zuckte er nur mit den Schultern.
    Kore wendete sein Dromedar. »Nein, es ist etwas ungleich Gefährlicheres. Dies ist das Reich der sebkah , Allahs Fluch für die Ungläubigen. Es gibt nichts Vergleichbares auf der ganzen Welt.«
    »Ein Salzsee?«, platzte Hannah heraus. »Wo soll der denn sein? Ich kann nichts erkennen.«
    Kore deutete auf den Boden wenige Meter vor ihren Füßen. »Sehen Sie die seichte Stufe dort vorn? Sie zieht sich, so weit das Auge reicht. Das ist die ehemalige Uferzone eines riesigen Binnenmeeres. Bis vor einigen hundert Jahren war hier noch Wasser zu finden. Doch die Trockenheit hat dazu geführt, dass sich die gesamte Oberfläche mit einer Kruste überzogen hat. Normalerweise ist das Salz aus vielen Kilometern Entfernung als blendend weiße Linie zu erkennen, aber der Sturm der vergangenen Tage hat die sebkah mit Sand zugeweht. Wir müssen jetzt sehr vorsichtig sein und uns beeilen. Es kann nicht mehr lange dauern, bis Durand uns eingeholt hat.«
    Kore trieb sein Dromedar an und schlug einen sanften Rechtsbogen ein, immer darauf bedacht, der Uferbegrenzung nicht zu nahe zu kommen. Chris folgte ihm, so gut er konnte, wobei er sich dabei eher an den Spuren von Kores Reittier orientierte als an der Bodenstufe, denn sosehr er sich auch bemühte, es gelang ihm kaum, den zarten Absatz im Sand zu erkennen. Zum wiederholten Male fragte er sich, wie Kore es schaffte, sich in dieser Einöde zurechtzufinden. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte er den richtigen Punkt verpasst.
    Nach zwei Kilometern stieg ihr Führer erneut ab, prüfte den Boden und nickte zufrieden. »Hier ist die Stelle, die ich gesucht habe. An diesem Punkt ist es für Mensch und Tier ungefährlich, über die Kruste zu gehen. Bleiben Sie bitte trotzdem in meiner Spur, denn in nur wenigen Metern Entfernung ist das Salz wieder dünner«, fügte er mit ernster Miene hinzu.
    »Müssen wir denn unbedingt …?«, rief Chris ihm zu. Er spürte, wie ein Gefühl von Panik in ihm aufstieg. »Können wir nicht einfach weiter dem Ufer folgen?«
    »Nur wenn wir fliehen wollten, doch wir werden uns Durand stellen.«
    »Uns ihm stellen?«, platzte es aus Chris heraus. »Ich dachte, das sei genau das, was wir nicht tun wollten. Um uns mit ihm ein Feuergefecht zu liefern, wäre Ihre Höhle doch viel geeigneter gewesen. Warum nur haben Sie uns in diese verdammte Einöde geführt?«
    Er spürte, wie sich Hannahs Hand sanft auf seinen Arm legte.
    »Lass das, Chris. Hör auf, ihn zu kritisieren. Ich bin sicher, dass Kore genau weiß, was er tut.«
    »Wir Tuareg kämpfen seit Tausenden von Jahren auf dieselbe Weise«, erklärte Kore mit stolz erhobenem Kopf. »Nicht, indem wir uns feige, wie die Ratten, in irgendwelchen Löchern verkriechen, sondern auf ebener Fläche, Auge in Auge mit unserem Gegner. So wie der Löwe und die Antilope. Auf diese Weise haben wir uns gegen die kriegerischen Völker aus dem Osten und die plündernden Horden aus dem Süden erfolgreich verteidigt, und ich werde mit dieser Tradition nicht brechen.«
    Das war alles, was Chris in der nächsten halben Stunde aus ihm herausbrachte.
    Kore hielt es nicht für nötig, ihnen mehr Informationen als unbedingt erforderlich zu geben, und Chris hielt es für unangebracht, weiter zu insistieren. Nicht nach dem letzten Blick, den Kore ihm zugeworfen hatte.
    Als ihr Führer einige Zeit später anhielt, hatte die Hitze Chris dermaßen ermüdet, dass er nur noch kraftlos im Sattel hing.
    »Hier werden wir unser Lager aufschlagen.« Kores Worte drangen wie aus weiter Ferne an sein Ohr, doch ihre Bedeutung brachte Chris schlagartig in die Realität zurück. »Ich verstehe nicht. Heißt das, wir werden hier bleiben, hier mitten auf dem Salzsee?«
    »So ist es.«
    Er sah sich um, so gut er es vermochte, denn die helle Sandfläche stach mit gnadenloser Härte in seine Augen. Über der Ebene kochte die Luft. Hitzeschlieren flimmerten über den Boden und täuschten den Blick. Es schien, als seien sie von Wasser umgeben. Chris hätte sich nie träumen lassen, am helllichten Tage jemals solche Angstattacken zu erleben. Alles in ihm sträubte sich dagegen, nur eine einzige weitere Minute hier zu verweilen. Die Temperaturen waren

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