Meer ohne Strand
Schenkeln, gehorchte dem Druck. Spürte die Muskeln seines Rückens unter ihrer Hand, er zwang ihr die richtigen Schritte, Hüftschwünge auf mit einer Art lässiger Autorität, langsam wurde sie sicherer.
Wurde locker. Ließ sich gehen: Sinalina, Jacques ließ sie entkommen. Zog sie wieder an sich, sie spürte ihre eigenen Muskeln: die sich anspannten, entspannten, jetzt lachte sie. Sah seine Zähne, wenn sie zu ihm emporsah, spürte den Schweiß: der ihren Nacken, ihre Brüste herabrann, die Autotüren schlugen zu. Der Wagen sprang an, die Musik brach ab, sie taumelten durch die Dunkelheit: auf der Suche nach Schuhen, Bierbüchsen, ließen sich auf die Decke fallen. Lagen eine Weile still, atmeten. Tranken Bier, er sagte: »Hör mal.«
Richtete sich auf, sah sie an,
»Als ich dich vorhin geküßt habe und du wolltest nicht, da war ich froh«,
Sah auf sie herunter. Die auf der sandigen Decke lag, ihn anstarrte, er sagte,
»Ich meine, das gibt es ja. Solche Frauen, die älter sind. Die sich einen jüngeren Typen suchen und den dann dafür bezahlen, vorhin, als du mich zum Essen eingeladen hast, da hab ich gedacht: jetzt. Jetzt ist es soweit«, er schüttelte den Kopf. Lachte leise,
»Ich hab ja immer davon geträumt, daß mir mal so eine begegnet. Eine schöne Frau mit Erfahrung, die mir auch noch Geld dafür gibt, denk nur, wenn das passiert wäre! Dann wäre jetzt alles noch genauso wie sonst. Stell dir das mal vor! Dann wäre überhaupt nichts passiert«,
Aber was war denn passiert? Sie spürte den Wind vom Meer. Spürte den kalten Sand unter ihrem Rücken, denBeinen: die Erde, die sie trug, er beugte sich über sie, kam ihr sehr nah. Griff nach den Zipfeln der Decke, um sie einzuhüllen, sie sagte: »Laß das.«
»Aber dir ist doch bestimmt kalt. Es wird nachts kühl, im Winter, hör mal, komm doch mit. Du könntest doch mitkommen. In diese Wohnung, meine ich. Auf die ich aufpassen soll«,
Er schlug die Decke um sie. Hockte neben ihr, im kalten Sand,
»Sie ist direkt an einem Golfplatz, die Wohnung. Es gibt einen Pool und alles, du könntest umsonst da wohnen. Du kannst in deinem eigenen Zimmer wohnen, komm doch bitte mit. «
Sie schliefen auf seinem ausgebreiteten Schlafsack, unter der Decke. Schliefen Rücken an Rücken, irgendwann in der Nacht spürte sie das Gewicht seines Arms: den er im Schlaf über sie gelegt hatte, sie schlief weiter. Gegen Morgen fiel Tau. Der sie frösteln ließ, sie fuhren in der Dämmerung los. Hielten an ihrem Hotel, warfen ihre Sachen auf die Rückbank zu seinen. Kauften irgendwo Kaffee in Styroporbechern. Fuhren aus Key West hinaus, dann auf den Overseas Highway: über dem blendend die Sonne aufging.
V
In Vermont lag immer noch Schnee. Die Sonne schien aber: Fünfunddreißig Grad Fahrenheit, sagte der Radiosprecher, Robert im Auto rechnete nach: ungefähr zwei Grad Celsius, nachts sollte es noch viel kälter werden. Er war froh, daß er das Krankenhaus vor Einbruch der Dunkelheit erreichen würde. Daß es sich erübrigte, nach der Kurve Ausschau zu halten, in der der Junge gestanden hatte: Er näherte sich von der Gegenseite. War von Boston nach Montpelier weitergeflogen, hatte dort ein Auto gemietet, wie lange war die Nacht im Schnee nun schon her? Siebzehn Tage. Im Krankenhaus wurde er bereits erwartet.
Von Dr. Mathai, dem jungen indischen Arzt, er streckte Robert die Hand entgegen. Erkundigte sich nach Roberts Gesundheit, sie hatten die Eisprinzessin auf seine Ankunft vorbereitet. Sie hatte geschwiegen. Wie sie zu allem schwieg,
»Dabei haben die Untersuchungen keinen Hinweis auf eine bleibende Schädigung ergeben. Und sie spricht ja durchaus, wenn sie Hilfe braucht. Wenn ihre Schmerzen stärker werden. Wenn sie Durst hat. Es wäre möglich, daß sie sich an nichts mehr erinnert. Oder daß sie sich noch nicht erinnert, sollte ich sagen, nach einem Schädelhirntrauma sind vorübergehende Störungen des Gedächtnisses durchaus zu erwarten«,
Sie gingen einen Krankenhauskorridor entlang. Robert versuchte, nicht einzuatmen: Er haßte den Geruch. Der ihn an seinen Vater erinnerte, an den langsamen peinvollen Tod seines Vaters, Dr. Mathai blieb stehen.
Vor einer Zimmertür: 312, er sagte,
»Eigentlich dürften wir Ihnen ja gar keine Auskünfte über ihren Gesundheitszustand erteilen. Sie sind kein Verwandter, andererseits, sie scheint niemanden zu haben, der sie vermißt. Wirklich, sie tut mir leid. Sie hat ja noch einiges vor sich, ihre Zehen sind wohl nicht mehr zu
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