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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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anrufen, oder willst du das machen? Diese Sina ist spurlos verschwunden! Sie ist irgendwann im Januar nach Florida geflogen und niemals zurückgekommen. Und nun sagst du allen Ernstes, die Eisprinzessin ist Emanuels Sina«,
    Das hatte Robert nicht gesagt.
    Es verschlug ihm die Sprache. Es raubte ihm den Atem.
    Sie sagte: »Aber ich habe es dir doch erzählt! Ich habe dir von dem Fest erzählt, ich habe gesagt, ohne den Reiseführer wäre ich nie geflogen. Ohne Emanuels Fest wäre ich nie in das Taxi gestiegen«,
    Er war ganz sicher, daß sie Emanuel Ullrich niemals erwähnt hatte. Er sah seine eigene Hand die Einladung halten. In seiner Münchner Wohnung: Feiere ich meinen 45. Geburtstag, UAWG, Emanuel Ullrich, er sah Emanuel Ullrichs Gesicht: Fresser Säufer Hurenbock, Robert hätte sie dort getroffen: Emanuels Sina.
    Hätte womöglich neben ihr gestanden, auf diesem Fest, Natalie an seiner Seite. Hätte wahrscheinlich nicht das geringste gefunden: an irgendeiner Sina Fischer, 35, Sachbearbeiterin bei einer Versicherung, sie sagte,
    »Aber es ist doch egal. Was ist denn so schockierend daran, daß wir gemeinsame Bekannte haben, Robert«,
    Er wußte es auch nicht. Das Telefon klingelte: Emanuel Ullrich.
    »Mensch, Robert, ich kann es nicht glauben! Gabriel sagt, Sina ist bei dir. Er sagt, du hast ihr das Leben gerettet, ausgerechnet du! So ein Zufall, ihr müßt mir das alles in Ruhe erzählen. Das ist doch eine Story! Sina könnte sich was damit verdienen, dann hat sie wenigstens nicht umsonst gelitten, wie geht es ihr denn jetzt? Ist sie zu sprechen«,
    Robert ging aus dem Zimmer, während Sina mit Emanuel sprach. Ihm ihre Geschichte erzählte: die Story, Robert hatte seine Zigaretten auf dem Tisch vergessen. Ging noch einmal ins Zimmer zurück, hörte sie auflachen. Hörte sie sagen,
    »– das Kind. Ich denke natürlich oft an das Kind«,
    Das war Robert neu. Das hatte sie ihm nicht gesagt, es mußte an ihm liegen: Er machte irgend etwas verkehrt. Gaby rief an, dann Johannes. Christa rief an, Sinas Stiefmutter, »Wie konntest du mir das nur antun, Sina«,
    Sina war vermißt worden. War verblüfft darüber, war glücklich: umarmte Robert, er hielt sie fest. Sah über ihre Schulter zum Fenster hinaus: Aber draußen war es Nacht. So daß Robert nur Robert sah: den Helden in seiner windesschnell korrodierenden Rüstung, wie konnte er denn trauern, weil Sina sich freute? Sina, die Märchenprinzessin, sie war einfach abgehauen.
    War aus München verschwunden: konnte so etwas jederzeit wieder tun. Konnte jederzeit wieder ihre Walhaut überstreifen, in den Tiefen des Meeres verschwinden, sie sagte,
    »Na und? Du doch auch. Ruf Julia an! Wenn es gemein ist, einfach so zu verschwinden, dann ruf sie an, Himmel, Robert! Sieh es doch anders. Wenn ich damals brav nach zwei Wochen zurückgeflogen wäre, dann hätte ich dich doch nie kennengelernt«,
    Aber die alten Formeln wirkten nicht mehr: Sie hätten sich ja schon längst kennen können. Auch ohne die Nacht im Schnee, die Wochen im Krankenhaus. Ohne Fishermen’s Wharf, die Kneipe in Wellfleet, nichts stand mehr an seinem richtigen Platz. Sie saßen auf dem Sofa vor dem Kamin.
    Hatten ein Feuer gemacht, trotz der Hitze. Berührten einander nicht. Trauerten um etwas: aber worum denn nur,
    »Weißt du noch, Robert, der Abend in Wellfleet«,
    Aus Unseren-Orten waren Weißt-du-noch-Orte geworden. Die nun hinter ihnen zurückblieben: während sie wieder hinaustrieben auf das Meer ohne Strand, Sina winkte, mit nassem Kleenex. Er wollte die Sehnsucht nicht hören, mit der sie von damals sprach. Von der fernen Vergangenheit: die ein paar Tage zurücklag, er sagte,
    »Komm, Sina. Hör auf damit, es ist doch eigentlich alles in Ordnung«,
    Sie ging nicht darauf ein. Verstummte: so daß er nun seine eigene Sehnsucht spürte, nach ihr. Während sie doch die ganze Zeit neben ihm saß: oder trieb sie jetzt fort, auf den Weißt-du-noch-Orten,
    »Auf dem Widow’s Walk, Robert. Du hast mich mit hinaufgenommen auf den Widow’s Walk«,
    Der Teil dieses Hauses war. Der das Haus krönte, das sie noch immer gemeinsam bewohnten, auch die Weißt-du-noch-Orte waren wirklich wie Brot. Flimmerten vor geheimer Bedeutung, irgendwann nahm er ihre Hand. Sie lehnte sich an ihn: zögernd, als probierte sie seine Schulter zum erstenmal aus. Sie mußten noch einmal ganz von vorn anfangen.
    Jemand stand unten am Strand.
    Stand im Gegenlicht, sah hinauf zu dem Haus. Sina beschirmte ihre Augen gegen die

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