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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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uns jemand überholt hat«,
    In der Stille rauschte das Meer. Maurice war von Sinas Schoß geglitten. Krabbelte davon über das Deck, Jacques sagte,
    »Sie wollten uns nichts wirklich Schlimmes tun, glaubeich. Sie wollten uns nur erschrecken und dann das Wohnmobil mitnehmen, ich habe keine Ahnung, was schiefgelaufen ist. Was Freddy mit dir gemacht hat, vielleicht hat er dir irgendwelche Sachen angedroht. Vielleicht hat er gesagt, was er alles mit dir anstellen wird, er hat dich ja die ganze Zeit festgehalten. Hatte seine Arme um dich rum, ich weiß es noch ganz genau: Ich stehe mit den anderen am Auto, aber ihr steht immer noch am Wohnmobil. Das Licht in der Fahrerkabine ist an, ich kann euch also ganz gut sehen. Freddy steht hinter dir. Er hält dich fest. Ihr seht aus wie ein Liebespaar. Er preßt sich an dich. Spricht dir die ganze Zeit von hinten ins Ohr, haargenau wie ein Liebespaar habt ihr ausgesehen. Und dann hast du auf einmal geschrien.«
    Das Kind saß vor Jeremys Steinschale. Brabbelte. Suchte Steinchen, Muscheln zusammen mit Pinzettenfingern, Jacques schüttelte den Kopf. Sagte langsam,
    »Ich denke, er hat dir gedroht. Und du hast Angst gekriegt und geschrien, und dann hast du mit ihm gekämpft. Du hast ihn gebissen, wir sind alle losgerannt. Niceguy hat gebrüllt, Laß sie sofort los, Freddy, du Blödmann, dann hat er euch beide geschüttelt. Hat euch auseinandergerissen, Freddy und dich, dann sind wir abgehauen. Du und ich. Wir sind einfach abgehauen, immer die Straße runter, sie haben uns abhauen lassen! Sie wollten uns laufenlassen, von Anfang an«,
    Jacques rieb sich übers Gesicht, mit flacher Hand. Schlang die Finger ineinander, Sina sagte: »Und dann.«
    Jacques sah sie nicht an. Rieb sich wieder übers Gesicht, sagte endlich,
    »Hinter uns haben sie herumgebrüllt. Freddy hat gebrüllt, ich bring sie um, die Nutte! Und die anderen beidenbrüllen auf Freddy ein, aber sie kommen uns nicht hinterher. Wir rennen und rennen. Und dann springt das Auto an. Ich drehe mich um, das Auto kommt auf uns zu. Fährt an mir vorbei, Freddy sitzt drin. Du bist ziemlich weit vor mir, Sina. Ich habe Maurice auf dem Arm, ich kann nicht so schnell rennen wie du, Freddy bremst. Springt aus dem Auto, du rennst in den Wald rein. Er rennt hinterher. Verschwindet zwischen den Bäumen, mit seinem Schläger, ich renne auch in den Wald. Genau da, wo ich stehe, wie ein Idiot, frag mich nicht, warum. Ich wollte wohl Freddy den Weg abschneiden. Aber unter den Bäumen war es stockdunkel. Überall lagen Äste herum. Manchmal war der Schnee knietief, ich bin andauernd eingesackt, und dann, dann hast du wieder geschrien«,
    Jacques knetete seine Finger. Starrte auf die Planken zu seinen Füßen,
    »Diesmal hast du anders geschrien. Ganz anders als vorher am Wohnmobil, es war entsetzlich, wie du geschrien hast. Ich bin in die Richtung weiter, aus der deine Schreie kamen. Alles war voll Gestrüpp. Alles war voller Dornen, die ich nicht sehen konnte, ich bin immerzu hängengeblieben. Ich bin immerzu im Schnee eingesackt, ich bin hingefallen, ich wollte rennen! Aber ich kam einfach nicht vorwärts. Ich hatte eine Scheißangst, Maurice zu verletzen, und dann haben deine Schreie aufgehört. Ganz plötzlich haben sie aufgehört. «
    Das Kind sang vor sich hin, tonlos. Sammelte weiter Muscheln, Steinchen in Jeremys Schale, mit großer Konzentration, über der Bucht kreischte eine einzelne Möwe. Jacques sagte,
    »Irgendwo vor mir war dann ein Licht. Die Lichtervon Taschenlampen. Ich bin darauf zugelaufen. Ich konnte Stimmen hören. Niceguy und Witzbold, die Lichter hielten nicht still. Hüpften vor mir herum durch den Wald, änderten laufend die Richtung, ich wußte nicht mal, wo ich überhaupt hinrenne. Als ich die Kerle dann endlich gesehen habe, waren sie schon wieder auf der Straße. Sie waren allein. Sie hatten dich im Wald gelassen, Niceguy hat Freddy vor sich hergestoßen. Hat ihn angeschrien, sie stirbt! Verdammt noch mal, die stirbt, du Idiot, sie sind ins Auto gesprungen. Sind zurück zum Wohnmobil gebraust, im Rückwärtsgang, Niceguy ist ins Führerhaus rein. Dann sind sie losgefahren. Direkt an mir sind sie vorbeigefahren, mit beiden Autos. Und dann waren sie weg. «
    Sina sagte: »Du hast mich dort liegenlassen, Jacques.«
    Beugte sich vor, stützte die Fäuste in die Hüften. Sagte: »Wie konntest du mich dort liegenlassen! Das verzeihe ich dir nicht. Glaub bloß nicht, daß ich dir jemals verzeihe«,
    Jacques zog die

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